Als Martin Graf zu Mittag den Vorsitz im Nationalrat übernahm, war die Welt für ihn wieder in Ordnung, und so winkte er auch freundlich hinauf zu einer Pensionistengruppe auf der Galerie.

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Wien - Heinz-Christian Strache und Martin Graf sitzen mit versteinerten Gesichtern in der ersten Reihe im Nationalrat. Am Rednerpult steht Günther Kräuter, Bundesgeschäftsführer der SPÖ. "Schämen Sie sich, Herr Strache! Schämen Sie sich, Herr Graf!", ruft er FPÖ-Chef und drittem Nationalratspräsidenten zu. "Sie haben Moral, Anstand und Respekt verspielt", legt Kräuter nach. Strache schüttelt fassungslos den Kopf, seine Miene bleibt stoisch.

Hinter ihm hyperventiliert der FPÖ-Klub: Ein Ordnungsruf, eine Entschuldigung müsse her, Präsidentin Barbara Prammer (SPÖ) müsse handeln. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky bemüht das Gedicht An einen Bonzen von Kurt Tucholsky: "Genosse, schämst du dich nicht?" Ex-SPÖ-Kanzler Viktor Klima erhalte eine "fette Politpension", Kanzler Werner Faymann werde es ihm einmal gleichtun. "Das ist die Liste der roten Schande!", ruft er.

Ein Zwischenruf des Grünen-Abgeordneten Karl Öllinger bringt ihn dann gänzlich in Fahrt: "Was wollen Sie überhaupt?", brüllt er.

Die Causa Graf sorgte auch am Mittwoch im Nationalrat für Aufregung - obwohl die offizielle Debatte um den Antrag der Grünen, Nationalratspräsidenten abwählen zu können, erst am Donnerstag stattfindet.

Nach Martin Graf will auch der zweite Vorstand die Gertrud-Meschar-Privatstiftung verlassen. Rechtsanwalt Michael Witt sagte zur "Presse", er werde sich zurückziehen, sobald ein Ersatzmitglied bestellt ist. Meschar hat dem bisherigen Vorstand vorgeworfen, dem Stiftungszweck nicht nachgekommen zu sein. Sie hat beim Handelsgericht die Abberufung beantragt. Der dritte Vorstand, Alfred Wansch, ein Wiener FPÖ-Mandatar, will die Entscheidung abwarten. Dass die verbliebenen Vorstände entscheiden, wer in das Amt nachfolgt, wurde von Alexander Hoffmann, dem bisherigen Anwalt von Meschar, kritisiert.

Die Stiftung werde weiter von Graf-Vertrauensmännern dominiert, das sei"inakzeptabel". Ein Problem sieht der Klubobmann der Wiener SPÖ, Rudolf Schicker: Wansch und Witt arbeiten in einer Kanzlei, Wansch ist Witt weisungsgebunden. Schicker: "Also ist Witt indirekt noch drinnen."

Mittlerweile hat Georg Zanger das Amt des Anwalts von Meschar übernommen. Der Wirtschaftsanwalt vertritt auch einen Asyl werber, der eine Klage gegen die Homepage Unzensuriert.at führt, die von Graf betrieben wird. Sie wurde in erster Instanz abgelehnt. (Therese Fuchs/Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 14.6.2012)