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Kann tanzbare Musik auch langsam und melancholisch sein? Offenbar ja: Der britische Dubstep-Musiker James Blake wurde 2011 jedenfalls zum Duchstarter.

Foto: APA/EPA/MARTEN VAN DIJL

Berlin - Ein Forschungsergebnis aus dem Bereich "Soft Science", das Anlass zu Interpretationen gibt: Popmusik klingt nach einer Studie der Freien Universität Berlin (FU) heute tendenziell trauriger und vielschichtiger als noch in den 60er Jahren. Für ihre Untersuchung haben Soziologen und Musikpsychologen rund 1.000 Titel der US-Charts aus den Jahren 1965 bis 2009 analysiert.

Kriterien waren dabei zum Beispiel, ob die Stücke in den Tonarten Dur oder Moll geschrieben waren und welches Tempo sie hatten. Beides ist wichtig dafür, wie ein Song auf Hörer wirkt: Schnelle Dur-Stücke wie der Beatles-Ohrwurm "She loves you" wirken eher fröhlich, langsame Moll-Balladen wie "Hotel California" von den Eagles eher traurig. Erstes Ergebnis: "Seit den 60er Jahren hat sich die Anzahl der Pop-Hits in Moll nahezu verdoppelt", sagt FU-Soziologe Christian von Scheve. Im Schnitt sei die Musik in den Charts seit den 1960er Jahren zudem auch langsamer geworden.

Erhöhte Ambivalenz

Es gebe heute allerdings auch mehr Titel, die sich von so simplen Kategorien nicht so leicht festmachen lassen. Zum Beispiel Stücke in Moll, die vergleichsweise schnell seien. Oder Titel in Dur, die sehr langsam daherkämen. Das mache eine Ambivalenz aus, die es früher selten gab, ergänzte der Forscher. Damals seien Titel eher nur fröhlich oder nur traurig gewesen. 

Dass die höhere Zahl an traurigen Pop-Songs auch eine entsprechende gesamtgesellschaftliche Stimmung widerspiegele, glaubt von Scheve allerdings nicht. Die Wissenschafter vermuten eher, dass heute eine größere Bandbreite an Gefühlen zugelassen werden als noch in den 60er Jahren - und die Welt seltener in Schwarz und Weiß eingeteilt wird. "Die Leute neigen dazu, Ambivalenz und Komplexität in der Musik mehr zu schätzen", sagt der Wissenschafter. Klassische Musik habe zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert eine erstaunlich ähnliche Entwicklung genommen. (APA/red, derStandard.at, 16.6.2012)