Das Clearing House in Salzburg gibt es seit 2001, am 20. Juni findet die Neueröffnung statt.

Foto: Der Standard/Höftbauer,Klien

Fayaz (17) ist einer von rund 30 Jugendlichen, die im Clearing-House für junge Flüchtlinge wohnen. Er kam mit Schleppern nach Österreich.

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Salzburg - "Funfundreizig, verzig, funfundverzig, funfzig ..." Mehrsprachiges Gezähle, Gelächter, Getratsche. Man wähnt sich auf einem orientalischen Basar, ist aber in einem Deutschkurs für Asylwerber.

Sogar gefeilscht wird, allerdings nicht um Bares, sondern um Hilfestellungen bei besonders kniffligen Kalibern der deutschen Rechtschreibung wie "Heuschrecke" oder "Schmetterling".

Das Clearing-House Salzburg gibt es seit 2001. Nun wurde die Einrichtung des SOS-Kinderdorfs saniert. Nächste Woche, am Weltflüchtlingstag, dem 20. Juni, feiert sie die offizielle Neueröffnung.

Hier werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen und auf ihrem Weg zur Aufenthaltsgenehmigung unterstützt.

Der Begriff "Clearing" steht für die Abklärung der gesundheitlichen und psychischen Verfassung der Jugendlichen. Sie bekommen hier sozialpädagogische und medizinische Betreuung. Für juristische Angelegenheiten steht ihnen ein Rechtsberater zur Verfügung. Bei Bedarf werden Dolmetscher hinzugezogen. Die vielen hochqualifizierten Mitarbeiter werden zum Teil durch staatliche Subventionen, vor allem aber durch Spenden finanziert. Karmapunkte für Österreich, denn hier fällt Geld auf fruchtbaren Integrationsboden.

Österreichische Asylverfahren gelten als kompliziert und lange. Der Clearing-House-Betreuer Anton Sedlak habe verstärkt das Gefühl, die "österreichische Politik ist bestrebt, das Land nicht zu attraktiv für Asylanten darzustellen, um den Zustrom zu regulieren". Erhält ein Jugendlicher bis zu seinem 18. Lebensjahr keine Aufenthaltsgenehmigung, zieht er ins Flüchtlingshaus der Caritas Salzburg um.

Dass betrifft Hejazalhagah, denn sein 18. Geburtstag steht bevor. Vielleicht darf er aber bereits zu seinem Bruder ziehen, der in Salzburg wohnt und arbeitet. Hejazalhagah flüchtete aus Afghanistan nach Österreich. Die ersten sieben Monate verbrachte er in Graz, bis er ins Clearing-House wechseln konnte, um seinem Bruder näher zu sein. "Die Zugfahrt von Graz nach Salzburg ist lange und teuer. Ich bin froh, dass ich meinem Bruder jetzt näher bin", sagt Hejazalhagah und lächelt entschuldigend, als ihm ein deutsches Wort nicht einfällt.

Im Clearing-House spielen geregelte Tagesstrukturen eine wichtige Rolle, um die Jugendlichen auf das spätere eigenständige Leben vorzubereiten. Nach einem dramatischen Schicksal will auch die Routine wieder gelernt sein.

Sie müssen hier von selbst rechtzeitig aufstehen, ihre Termine koordinieren, den Deutschkurs besuchen und anschließend in Gruppen Mittagessen vorbereiten oder den Haushalt auf Vordermann bringen.

Die Nachmittagsgestaltung steht ihnen frei - vom Stöbern in der Stadtbibliothek bis hin zum Schaufensterschlendern im Europark. Mit 15 Euro Taschengeld pro Woche plus 25 Euro Bekleidungsgeld im Monat lernen sie auch ihre finanziellen Mittel einzuteilen.

Momentan wohnen 31 männliche Flüchtlinge im Clearing-House und 19 Jugendliche in Wohngemeinschaften mit "ambulanter Betreuung". Weibliche minderjährige Asylwerberinnen sind selten. Außerdem werden Flüchtigen immer jünger: Die eigentlich für 14- bis 18-Jährige vorgesehene Betreuungsstelle hat vor kurzem sogar einen 13-jährigen Flüchtling aufgenommen. Die meisten von ihnen kommen momentan aus Afghanistan. "Das passiert immer in wellenartigen Schüben. Von welchen Faktoren das abhängt, ist kaum näher zu definieren. Die Situation ist relativ unvorhersehbar", erklärt Sedlak.

"Schau ma mal"

Der 17-jährige Fayaz ist Paradebeispiel eines zähen Charakters. Er spricht Dari, Englisch, ein bisschen Arabisch und lernt Deutsch im verpflichtenden Kurs, den das Clearing-House auf drei unterschiedlichen Niveaus anbietet.

Man sieht ihm nicht an, dass er einer jener 680 Jugendlichen ist, die in den letzten elf Jahren aufgenommen wurden, die mit Schleppern nach Österreich kamen - mehrere tausend Kilometer, teilweise traumatisiert von Krieg, Verfolgung und der zermürbenden Ungewissheit, was den Aufenthaltsort oder das Überleben ihrer Familien betrifft.

20 Prozent von ihnen haben keinerlei Schulerfahrung, manche sind Analphabeten. Nach ihrer Flucht werden sie von der Polizei aufgegriffen. Oft ist es ungewiss, ob als Endstation Schubhaft droht oder ein Einzug in eine sozialintegrative Einrichtung möglich ist.

Fayaz grinst trotz allem und rückt für unser Bild seinen Gipsfuß in Position, den er als Souvenir eines vom Clearing-House organisierten Fußballspiels behalten hat. Sein optimistisch vages "Schau ma mal" auf die Frage, was er einmal werden möchte, zeugt bereits von einer Verinnerlichung der urösterreichischen Attitüde. (Julia Höftberger und Milena Klien, DER STANDARD, 13.6.2012)