Gemeinsamer Abgang nach ein paar unangenehmen Fragen und ausweichenden Antworten: Kanzler Werner Faymann folgt Vizekanzler Michael Spindelegger.

Foto: Standard/Cremer

Auslöser des Koalitionskonflikts: Werner Muhm, Berater des Kanzlers, Ärgernis der ÖVP.

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Alles nicht wahr, alles wüste Spekulation: Es gebe keine "Streitagenda", beteuerten die Regierungsspitzen nach dem Ministerrat am Dienstag. "Wir einigen uns auf inhaltliche Punkte und lassen das personell nicht verknüpfen, und zwar beide nicht", versicherte Kanzler Werner Faymann. Vizekanzler Michael Spindelegger pflichtete bei, wenn auch mit zweideutigem Grinsen: "Das wäre doch das erste Mal in Österreich, dass Personalfragen mit Sachfragen verknüpft werden, oder?"

Die Komik ließ sich schwer verbergen, denn eine Stunde zuvor hatte ein Regierungsmitglied das exakte Gegenteil berichtet. "Denken von gestern" warf SP-Staatssekretär Andreas Schieder dem Koalitionspartner vor: Die ÖVP habe den politischen Preis für einen Personalwunsch so lange hochgetrieben, bis die Sozialdemokraten nicht mehr mitkonnten.

Bei dem umstrittenen Posten handelt es sich um den Sitz von Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm im Generalrat der Nationalbank. Die zuständige Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hatte den Faymann-Berater zum Ärger der SPÖ erst aus dem Gremium gedrängt, schien dann aber einzulenken. Am Montagnachmittag verbreiteten Koalitionäre schließlich die Kunde von Muhms Comeback in der Bank.

Bei der Koordinierungssitzung der Regierung am Abend desselben Tages war dann plötzlich alles anders. Die ÖVP habe immer neue Gegenleistungen für Muhms Bestellung verlangt, heißt es aus der SPÖ. Diese "Friss, Vogel, oder stirb"-Politik sei inakzeptabel, sagt Schieder: Es sei ein Irrtum, dass seine Partei wegen einer Personalfrage inhaltlich alles schlucke, was ihr vorgesetzt werde.

Strategie gegen Sachpolitik

Konkret verlangten die Schwarzen ein Ja zu einer Reihe von in den Details umstrittenen Vorhaben (siehe unten): Die Installierung einer Bilanzpolizei, die steuerliche Neubewertung von Agrarflächen sowie die Senkung der Flugticketabgabe. Als völlig unausgegoren qualifiziert man in der Kanzlerpartei die vonseiten Fekters präsentierten Vorschläge - was laut Schieder im Finanzministerium System habe, gebe es bei wichtigen Themen doch monatelangen Leerlauf. Wer daran schuld sei? "Wenn es im Haus zwei gibt: Ich bin es nicht."

Den Sachverhalt im Kern bestreiten ÖVP-Repräsentanten, zumindest inoffiziell, gar nicht: Ja, man habe auf eine politische Einigung in den genannten Fragen gepocht. Die Interpretation fällt freilich diametral anders aus: Die ÖVP dränge eben darauf, dass in der sachlichen Arbeit etwas weitergehe, während sich die SPÖ ständig nur auf strategische Personalpolitik konzentriere.

Unter den rufschädigenden Folgen der Episode leiden beide Koalitionsparteien gemeinsam. Ein Minister nach dem anderen versicherte, mit derartigen Junktims nichts am Hut zu haben. Auch Kanzler Faymann wollte lieber über die zehn Gesetze sprechen, die der Ministerrat auf Schiene gebracht hat. "Was wollen Sie wissen vom Herrn Muhm?", reagierte der Regierungschef mit einem sanftem Anflug von Überdruss auf Nachfragen. Muhm sei ein ausgezeichneter Experte, den er bei Wirtschaftsthemen stets an seiner Seite haben werde - "ob er jetzt in der Nationalbank sitzt oder nicht."

Wann und wie die Frage nun entschieden wird, bleibt vorerst offen. Laut offizieller Auskunft aus dem Kanzleramt werde über die Causa gar nicht mehr verhandelt, die Entscheidungsgewalt liege bei Fekter. Faymann: "Das Land soll keine größere Sorgen haben." (Gerald John, DER STANDARD, 12.6.2012)