"Juden Eintritt verboten" war vor dem Haupteingang der Universität Wien im Juni 1931 affichiert, als NS-Studenten ihre jüdischen Kollegen wieder einmal besonders heftig terrorisierten.

Foto: Matthias Cremer

Es sah zunächst eigentlich alles recht gut aus für Karl Horovitz. Der aufstrebende Physiker hatte im Herbst 1923 an der Uni Wien um die Erteilung der Lehrbefugnis angesucht, und in der Kommissionssitzung entschied man mit sieben zu null Stimmen für den 31-jährigen Assistenten, der wissenschaftlich bestens qualifiziert war.

Für die Zulassung stimmte auch der Historiker Heinrich Srbik, das einzige fachfremde Mitglied der Kommission. Srbik wollte allerdings wissen, ob Horovitz Kommunist sei, was von den anwesenden Physikern wahrheitsgemäß dementiert wurde. Nichtsdestotrotz erschien in der "Deutschösterreichischen Tageszeitung", dem frühen Hetzblatt der extremen Rechten in Österreich, zwei Wochen später ein Artikel.

Darin wurde beklagt, dass sich die Fachkommission für die Habilitation eines "kommunistischen Juden" ausgesprochen hat. Und weiter hieß es: "Die Entscheidung liegt nunmehr beim Professorenkollegium, dessen starke arische Mehrheit es noch in der Hand hat, den Kommissionsantrag abzulehnen." Einen Tag nach Erscheinen des Artikels stimmten die Professoren der Fakultät ab, der damals sämtliche Geistes- und Naturwissenschaften angehörten.

Die Sitzung wird vom Historiker Hans Übersberger geleitet, der wider besseres Wissen auf eine "kommunistische Parteirichtung von Horovitz" hinweist. Die Lüge wird zwar von vier Physikprofessoren sofort korrigiert, von der "arischen" Mehrheit der Professoren aber gerne geglaubt: Horovitz wird mit 20 Ja- gegen 34 Neinstimmen abgelehnt.

Der junge Physiker ist entsetzt, verlangt zuerst von der Zeitung eine Richtigstellung: Er sei nämlich Sozialdemokrat und gehöre keiner Religionsgemeinschaft an. Das Hetzblatt kontert: "Der Herr Assistent und Doktor wird doch nicht im Ernste behaupten wollen, dass er aufgehört hat, Jude zu sein, weil er konfessionslos geworden ist."

Horovitz will aber auch von der Uni eine Begründung, warum er abgelehnt wurde. Der Fall geht ins Ministerium, an den Verwaltungsgerichtshof, wird sogar im Parlament debattiert - und schließlich endgültig abgewiesen. Die Begründung der Uni Wien, die vom Paläontologen Othenio Abel formuliert wird: Aufgrund der Einsprüche von Horovitz ist "das für ein gedeihliches Zusammenarbeiten unerlässliche kollegiale Empfinden nicht mehr möglich". Ende der Affäre und von Horovitz' Laufbahn an der Uni Wien. Der Physiker emigriert in die USA, wo er erfolgreich Karriere macht.

Der Fall Horovitz trug sich nicht 1938 zu, sondern von 1923 bis 1925. Und er führt gemeinsam mit vielen anderen, ähnlich gearteten Fällen vor Augen, dass die Uni Wien bereits in der Zwischenkriegszeit eine Hochburg des Antisemitismus war - und die Zerstörung wissenschaftlicher Exzellenz an Österreichs Hochschulen nicht erst 1934 oder 1938 begann, sondern bereits in den 1920er-Jahren: Habilitationen oder Berufungen von jüdischen und/oder linken Forschern an der Uni Wien und anderen österreichischen Hochschulen waren jedenfalls so gut wie ausgeschlossen.

Bei der Verhinderung der Lehrbefugnis ließen sich die universitären Antisemiten übrigens einen Trick einfallen. Sie verschärften einfach die Habilitationsordnung: Neben der wissenschaftlichen Qualifikation wurde nun auch auf die "persönliche Eignung" Wert gelegt. Und damit konnte man jüdische Forscher wie Horovitz leicht loswerden - ohne dass in den Protokollen auch nur ein einziges Mal das Wort "Jude" vorkam.

Heimliches Netzwerk

Anders als in seinem Fall wurde diese antisemitische und antilinke Personalpolitik nach 1918 im Normalfall in aller Heimlichkeit durch antisemitische Netzwerke vollstreckt. Eines der einflussreichsten operierte unter dem Decknamen "Bärenhöhle" an der philosophischen Fakultät der Universität Wien - benannt nach einem paläontologischen Seminarraum, wo man sich traf.

Die "Bärenhöhle" war ein Zweckbündnis aus deutschnationalen und dem Cartell-Verband angehörenden Uni-Professoren. Was die "Braunen" und "Schwarzen" einte, war der Kampf gegen die Linken und die Juden. Antisemitismus war damals nämlich auch im Cartell-Verband gang und gäbe: Schon 1920 forderte ein gewisser Engelbert Dollfuß (erfolglos) einen Arierparagrafen für alle Cartell-Verbände in Europa. Und 16 Jahre später behauptete der christlich-soziale Politiker Emmerich Czermak, Unterrichtsminister von 1929 bis 1932, dass man die Judenfrage zumindest im österreichischen CV gelöst habe: "Wir sind judenrein. (...) Für uns war es immer selbstverständlich, dass Halbjuden und jüdisch Belastete nicht in unsere Reihen gehören."

Jene drei Professoren, die auch Horovitz "abschossen", waren zentrale Mitglieder dieser Professorenclique: Heinrich Srbik (1938 bis 1945 ÖAW-Präsident) sowie die beiden erklärten Nationalsozialisten und späteren Parteimitglieder Othenio Abel und Hans Übersberger. An den geheimen antisemitischen Machenschaften war aber auch der Pädagogikprofessor Richard Meister beteiligt, der 1949/50 Rektor der Uni Wien wurde und von 1951 bis 1963 Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war.

Eine siebenjährige Farce

Zu ihren Opfern zählten neben Horovitz etliche weitere aufstrebende Forscher, die heute längst vergessen sind: etwa der jüdische Biologe Paul Weiss, der 1925 scheiterte und ebenfalls in die USA ging - übrigens zum späteren Nobelpreisträger Karl Landsteiner, den die Uni Wien bereits 1920 erfolgreich losgeworden war. Oder der jüdische Physiker Otto Halpern, dessen letztlich gescheitertes Habilitationsverfahren von 1925 bis 1932 dauerte - um in einer infamen Farce zu enden: Den Ausschlag gab letztlich, dass Halpern als 21-Jähriger einen Institutsschlüssel verloren hatte und das seinem Professor zuerst verschwiegen hatte.

Es war im Übrigen genau dieser Professor, nämlich Hans Thirring, der Halpern zur Habilitation vorgeschlagen und ihn als Assistenten eingestellt hatte. Thirring und alle anderen Physikprofessoren waren natürlich für Halpern, weil der ein brillanter Physiker war. Aber sie hatten gegen ihre antisemitischen Kollegen, die von der "Bärenhöhle" auch an die wichtigen universitären Schaltstellen gesetzt wurden, längst keine Chance mehr.

Einer der Rektoren, der von der "Bärenhöhlen"-Clique durchgesetzt wurde, war übrigens ein gewisser Carl Diener, der 1922/23 die Uni Wien leitete. Diener war nicht nur dafür verantwortlich, dass der Siegfriedskopf in der Aula aufgestellt wurde. Er hatte auch großes Verständnis dafür, dass die deutsche Studentenschaft einen Numerus clausus für jüdische Uni-Angehörige und vor allem Studenten forderte.

In seiner Stellungnahme, die in der Tageszeitung "Reichspost" erschien, schrieb Rektor Diener, dass "der wahre Krebsschaden unserer akademischen Verhältnisse in der geradezu erschreckenden Invasion rassens- und wesensfremder Elemente" liege, "deren Kultur, Bildung und Moral tief unter jener der bodenständigen deutschen Studentenschaft stehen". Und weiter hieß es in der "Reichspost" vom 10. Dezember 1922 (und nicht vom 13. März 1938): "Der Abbau der Ostjuden muss heute im Programm jedes Rektors einer deutschen Hochschule einen hervorragenden Platz einnehmen. Der fortschreitenden Levantisierung Wiens muss wenigstens an den Hochschulen Einhalt geboten werden." (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 13.6.2012)