Am Combat Outpost Zormat.

Foto: Gady

Der "Mayor" von Zormat, Sergeant Lewis, beim Inspizieren eines Bunkers.

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Der Friseur des Stützpunktes mit einem afghanischen Polizisten.

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Der "Hauptplatz" des Combat Outpost Zormat. Der Gefechtsaußenposten Zormat beherbergt die "Dog Company" des 509. Fallschirmjägerbattailons der 4. Brigade "Combat Airborne Team", der 25. US-Infanteriedivision. Im Camp gibt es neben den militärischen Einrichtungen auch eine kleine Bücherei, ein Fitnesscenter sowie ein Internet-Café.

Der Außenposten liegt in der Provinz Paktia in Ostafghanistan. Die Provinz grenzt im Osten direkt an Pakistan. Die Grenze wird von beiden Seiten mehrheitlich ignoriert. Die schwer kontrollierbare Grenze bietet den Taliban und Al-Kaida ein ideales Rückzugsgebiet auf pakistanischem Boden.

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Combat Outpost Zormat, Paktia. Der Transporthubschrauber, eine Boeing CH-47 Chinook, wirbelte mir feinen Sand ins Gesicht. Nach dreistündiger Wartezeit bestieg ich endlich zusammen mit acht anderen Soldaten die Maschine am Flugfeld von Camp Salerno. An Bord zeigte ich dem Crew Chief einen Zettel, auf den ich am Vorabend meine Destination geschrieben hatte: Combat Outpost Zormat. Er zeigte mit dem Daumen nach oben und wies mir einen Platz zu. Zwei Bordschützen mit ihren stationären Maschinengewehren im Anschlag musterten links und rechts, durch zwei Öffnungen in der Bordwand, die unmittelbare Umgebung.

Der Crew Chief selbst stand an der Rampe, gesichert mit einem Seil. Zu meiner Überraschung wurde die Rampe nur ein wenig hochgezogen, als wir starteten. Während des gesamten Fluges war das Heck offen. Zügig überquerten wir eine riesige Gebirgskette, wobei die Distanz zum Boden mitunter nicht mehr als 15 Meter betrug. Der Hubschrauber machte einige Zwischenstopps. Mein Stopp kam nach etwa einer Stunde. Nur drei Soldaten stiegen mit mir aus. Endlich war ich auf dem kleinen Gefechtsvorposten Zormat auf 2.400 Meter Seehöhe angekommen. 

Angekommen an der Front

Einen zufällig vorbeigehenden Soldaten fragte ich nach dem TOC, dem Tactical Operations Center, dem Kommandozentrum jedes amerikanischen Stützpunktes. Dort wurde ich bei Staff Sergeant Lewis, dem "Mayor" des Camps, vorstellig. Der sah nur kurz auf und bellte im Befehlston: "Ausweis und Blutgruppe!" Ich händigte ihm beide Dokumente aus: "Wie lange wirst du hier sein?", fragte er mich. "14 Tage", antwortete ich etwas eingeschüchtert. "Ich hoffe, du hast Gehörschutzstöpsel mit, denn wir werden heute sicher bombardiert werden." Sein Blick fiel auf einen Kalender. Dort hatte er jeden Tag markiert, an dem der Stützpunkt indirektem Feuer von den Bergen ausgesetzt gewesen war. Die letzten zehn Tage des Monats hatten alle ein Kreuz.

Nachdem ich meine Unterkunft bezogen hatte, versuchte ich mich kurz zu entspannen. Ich wollte etwas Musik hören, doch mein Unterbewusstsein wollte aus jedem Trommelschlag in einem Lied einen Granatenangriff machen, und ich packte schnell meinen iPod weg. Zum Bunker waren es von meiner Baracke aus nur vier Meter. Zur Sicherheit ging ich den Weg trotzdem sechsmal. Aber an diesem Tag passierte nichts.

"It's heating up!"

Am nächsten Morgen erkundete ich den Stützpunkt. Ich durfte mich mit meiner Kamera frei bewegen. Ich sah das Starten und Landen einer Erkundungsdrohne und plauderte kurz mit den Soldaten. Ich fragte sie nach dem Krieg und was sie davon hielten: "War? What are you talking about? This hasn't been a war in years! We are practically not allowed to do anything anymore except take cover!" Ich hatte schon von mehreren Soldaten gehört, dass sie mit den neuen Einsatzregeln, die seit Februar 2010 in Kraft waren und die vor allem auf den Schutz der Zivilbevölkerung ausgerichtet waren, wenig anfangen konnten.

Ich ging weiter zur Artilleriestellung, wo eine halbe Batterie ihre Feuerstellungen hatte - ausgestattet mit leichten und mittelschweren Geschützen. Ich sprach mit dem Gunnery Sergeant des mittelschweren Geschützes. Auch er zeigte sich frustriert über die neuen Einsatzregeln. "It's heating up right now, but we almost never use these guns anymore. The game has changed." Ich inspizierte die Kanonen und schoss ein paar Bilder. Der Gunnery Sergeant lieferte mir auch noch ein paar Informationen über die Kämpfer in den Bergen. Es seien nicht mehr als ein paar Dutzend Taliban, die den Stützpunkt fast täglich beschossen. Zum Abschied mahnte er mich noch: "Stay close to a bunker and always wear your ballistic glasses!"

Keine Details

Am Abend gab mir der Commanding Officer des Stützpunkts, ein junger First Lieutenant, keine 24 Jahre alt, einen Lageüberblick im TOC. Alle Details darf ich hier nicht beschreiben, aber es erstaunte mich, dass die Anzahl der geschätzten Aufständischen in der Region fast ident mit der Zahl der amerikanischen Soldaten vor Ort ist. Der Lieutenant teilte mir mit, dass Angriffe in den letzten paar Wochen mit dem wärmeren Wetter exponentiell zunahmen.

Zuürck in meiner Unterkunft machte ich mir gerade Notizen, als plötzlich mein Nachbar über die Trennwand schrie: "Put your gear on and head to a bunker!" Ich setzte mir schnell meinen Helm auf, zog die kugelsichere Weste an und rannte in den Bunker vor der Unterkunft. In der Ferne konnte ich zwei Detonationen und Maschinengewehrfeuer hören. Nach etwa zehn Minuten war der Spuk vorbei.

Sergeant Lewis kam in den Bunker und gab Entwarnung. Die Granaten waren zu kurz geflogen und hatten nur den Erdwall getroffen. Woher das Maschinengewehrfeuer kam, wusste er nicht. Ich ging zu meinem Nachbarn, um mich für die Warnung zu bedanken. Es stellte sich heraus, dass der Soldat Hundeführer ist und mit seinem Schäferhund, der speziell auf das Aufspüren von IEDs (Improvised Explosive Devices) trainiert ist, in der Unterkunft wohnt. Der Hund wurde ursprünglich in Holland abgerichtet und versteht nur holländische Kommandos. Wir redeten noch ein wenig über Schäferhunde. Dann verabschiedete ich mich todmüde in meine Unterkunft. Die Höhe und die Ereignisse des Tages machten mir doch mehr zu schaffen, als ich dachte. (Franz-Stefan Gady, derStandard.at, 14.6.2012)