Kiefer Sutherland greift erneut zur Waffe, doch nicht als Agent Jack Bauer in "24", sondern als Auftragskiller in der Webserie "The Confession".

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Los Angeles / Wien - Als Hulu die letzte Folge von "The Confession" online stellte, ging ein Aufatmen durch die Branche: "Kiefer Sutherland beweist, dass Webvideos profitabel sein können!", jubelten Onlineplattformen voller Freude angesichts einer verheißungsvollen Zukunft. Seit Anfang Mai herrscht wieder Optimismus bezüglich Verdienstmöglichkeiten mit originalen Webserien.

Ausgerechnet Kiefer Sutherland schaffte die Trendumkehr. Der US-Schauspieler sorgte bereits 2001 mit der Agentenserie "24" für eine Neuausrichtung im Genre der epischen Fernsehserien. Eine fortlaufende Handlung war bis dahin bei Actionware ebenso unüblich wie die flippige Ästhetik mit Splitscreens. Bei allen dramaturgischen Schwächen schrieb Sutherland als entschlossener Agentenheld Fernsehgeschichte. Und jetzt "The Confession", zu Deutsch "Das Geständnis".

Gesprächiger Killer

Darin spielt der 45-Jährige einen Auftragskiller, der beichten will. Doch nicht aus Reue gesteht der Menschenjäger vor dem Herrn, sondern um den lieben Gott selbst infrage zu stellen. Im Beichtstuhl wartet mit John Hurt ein weiterer Schauspieler der A-Klasse.

95 Prozent schauten die Folgen von Anfang bis zum Ende, was als eindeutiges Qualitätsmerkmal zu werten ist. Die Nutzer waren begeistert, lediglich mit der Länge waren sie nicht einverstanden: Die fünf- bis siebenminütigen Episoden waren ihnen zu kurz. Sutherland, der die Serie auch produzierte, versprach Nachschub.

Mit Webinhalten Gewinne machen - davon träumen Produzenten und Anbieter und versuchen, sich von dem unüberschaubaren Dickicht der ambitionierten Amateurvideoflut abzuheben. Der Konsum von Fernsehen löst sich immer mehr vom vorgegebenen Programm. Den Effekt versuchen Produzenten zu nützen.

Das Web wird zur Kreativwerkstätte fürs Fernsehen

Denn der Vorteil von Webvideos liegt in den ungeahnten Möglichkeiten innerhalb der Verwertungsketten. Der potenzielle Kundenstock ist damit ungleich größer als jener von Fernsehsendern. Immer öfter wechseln Senderechte auf umgekehrtem Wege als bisher die Besitzer. Das Webportal Hulu, im Besitz von Fox, NBC und ABC, nützt und verkauft die Rechte zu "The Confession" an digitale Plattformen und internationale TV-Stationen gleichermaßen. Das Web wird zur Kreativwerkstätte fürs TV - und zwar mit weit höherem Risikobewusstsein.

Die erfolgreiche Beichte des Killers könnte für die lang ersehnte Initialzündung sorgen und verschafft laufenden Projekten neuen Schwung. Webserien etablieren sich als fixe Größe im Entertainment-Business. Immer öfter leisten sich prominente Regisseure und Darsteller den Seitensprung ins virtuelle Gewerbe.

  • Richard Linklater dreht für Hulu Reisedokus mit Timothy Levitch in "Up to Speed".
  • Sylvester Stallone dient als Vorbild für "Soul Survivor". "Mad Men"-Produzent Lionsgate animiert den 66-jährigen Mimen im Web.
  • Tim Kring entwickelt "Daybreak" mit dem Telekommunikationsriesen AT&T. Fünf Folgen sind vorerst fix, Regie führt Jon Cassar, "24"-erprobt. Seine penibel ausgetüftelten Serienstrategien in "Heroes" gelten als beispielhaft im Genre der epischen Fernsehserien.
  • Kevin Spacey spielt 2013 in "House of Cards" von David Fincher ("Sieben") einen republikanischen Abgeordneten, der in die Abgründe der US-Politik führt. 13 Folgen, insgesamt 80 Minuten.
  • Chris Collins versucht sich im Mysterygenre. Für Webvideos ungewöhnlich lange - und vor allem teure - 30-minütige Clips will der Serienregisseur ("Sons of Anarchy") stemmen.

In den USA wittert die Werbebranche bereits das große Geschäft: 2,5 Milliarden Euro der Werbeausgaben entfallen 2012 auf Webvideos, prognostiziert der Marktbeobachter E-Marketer. 2016 sollen es 7,5 Milliarden sein. Fortsetzungen dürften also folgen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 12.6.2012)