Martin Prunbauer: "Diese alte Vorstellung, dass da ein übermächtiger Vermieter ist, dem ein armer, kleiner, eingeschüchterter Mieter gegenübersteht, die ist bitte hoffentlich längst vorbei."

Foto: Putschögl

Warum sich die Mieter an der Versicherung für das Gebäude beteiligen sollten, ist für den neuen ÖHGB-Präsidenten klar: "Die Abdeckung von Schäden des Hauses ist auch im Interesse des Mieters, der in dem Haus drinnenbleiben will."

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Seit einer Woche ist Martin Prunbauer Präsident des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbunds (ÖHGB). Der Wiener Rechtsanwalt kann aus seinem Büro am Wiener Schmerlingplatz das Parlament sehen. Wie oft er sich dort blicken lässt und was ihn an der Politik stört, erklärt er im Gespräch mit Martin Putschögl.

derStandard.at: Anlässlich Ihrer Wahl zum ÖHGB-Präsidenten kündigten Sie die "Kontakthaltung zu politischen Entscheidungsträgern" als eines Ihrer Ziele an. Wie oft sind Sie denn im Parlament anzutreffen?

Prunbauer: Noch bin ich nicht weiß Gott wie oft drüben. Das eine oder andere Mal war ich aber schon gemeinsam mit anderen Funktionären dort. Da redet man dann zum Beispiel mit Bautensprechern und kann das eine oder andere aus der Praxis vorbringen. Mir persönlich ist es nämlich sehr wichtig, dass man die Bedeutung, die der Wohnbausektor für die ganze Volkswirtschaft hat, ein wenig herausstreicht. Wir verengen uns da im Denken immer auf das Mieter-Vermieter-Verhältnis, während in Wahrheit doch das Hauseigentum weit darüber hinaus Bedeutung hat. Gerade der kleine und mittlere Hauseigentümer - und die vertreten wir hier beim ÖHGB vor allem - bringt den Vorteil mit sich, dass er in der Regel auch kleine und mittlere Unternehmen beschäftigt. Der stärkt die lokale Wirtschaft, hat seinen Hauselektriker ums Eck und seinen Hausinstallateur drei Gassen weiter. Der kann es sich nicht leisten, jemanden aus Vietnam oder von wo auch immer zum Handwerken herzuschicken. Und vor allem: Ein Haus kann man nicht über die Grenze tragen, weil dort die Erhaltung billiger ist.

derStandard.at: "Zusätzliche Investitionen von bis zu einer Milliarde" durch die Hauseigentümer würden 12.000 Arbeitsplätze schaffen, heißt es in Ihrer ersten Presseaussendung. Was hindert Ihre Mitglieder daran?

Prunbauer: Das Problem ist, dass wir derzeit - gerade im Altbaubereich, wo ja viel geschehen könnte - durch den stark regulierten Markt behindert werden. Der Markt ist hinsichtlich Altmieten, Mietzinshöhen und Eintrittsrechten stark beschränkt, mit einigen meiner Ansicht nach anachronistischen Normen im Mietrecht. Aber auch im Steuerrecht: Wenn man beispielsweise Fenster erneuert, muss man darauf achtgeben, nicht mehr als 25 Prozent zu erneuen, damit man das kurzfristig abschreiben kann und nicht über zehn oder 20 Jahre verteilt. Durch Regulierungen wie diese haben wir Hindernisse selber aufgebaut, deren Abbau Investitionen bringen würde. Gerade der kleine Hauseigentümer neigt dazu, viel von dem verdienten Geld wieder ins Haus zu stecken, weil er relativ langfristig denkt. Nur muss ihm dieses Geld auch übrig bleiben.

derStandard.at: Wie groß ist die Problematik mit dem Eintrittsrecht wirklich?

Prunbauer: Dazu muss man zunächst festhalten, dass strenge Mieterschutzvorschriften irgendwo im ersten Mietengesetz des Jahres 1917 ihre Wurzeln haben, weil man damals wollte, dass die "Soldaten im Feld" nicht zu Hause ihre Wohnungen verlieren. Das ist bis heute, hundert Jahre später, noch so. Das Eintrittsrecht bedeutet heute aber, dass jemand - wenn er das Glück hat, in einer Stadt zu arbeiten oder zu studieren, in der auch die Eltern schon eine Wohnung angemietet hatten - in diese Wohnung einsteigen kann, also das Mietrecht übernehmen. Da ist dann auch bei besonders schönen Wohnungen der Mietzins mit der Kategorie A nach oben gedeckelt. Auf der anderen Seite kann man als Vermieter für eine nicht so schöne Wohnung in einer schlechteren Lage gleich den zulässigen Richtwert verlangen. Das Gesetz schützt da meiner Ansicht nach die Falschen.

derStandard.at: Aber wie groß ist dieses Problem tatsächlich? Von Mieterschützern hört man oft, dass diese Altmietverträge schlicht nicht mehr existieren würden. Wie hoch ist der Anteil?

Prunbauer: Eintrittsrecht kommt tatsächlich sehr oft vor, da gibt es auch viele Streitigkeiten, weil es ja bestimmte Voraussetzungen gibt: Man muss eine gewisse Zeit gemeinsam gewohnt haben, einen Eigenbedarf haben etc. Da wird sehr viel gestritten. Solche Prozesse sind nicht selten, das sehe ich auch in meiner Tätigkeit als Anwalt für Hausbesitzer. Sie brauchen sich nur die Melderegister anschauen, wie viele Kinder und Verwandte oft in Wohnungen gemeldet sind, ohne wirklich dort zu wohnen.

Mein Eindruck ist: Je schöner und besser eine Wohnung liegt, desto eher werden Eintrittsrechte zumindest einmal sicherheitshalber behauptet. Denn sie sind ja oft auch schwer widerlegbar. Der Hauseigentümer wohnt meist nicht vor Ort, und vor Gericht ist das schwer nachweisbar, solange die betreffende Wohnung dem Strom- und Gasverbrauch zufolge nicht überhaupt leer gestanden ist.
Was ich dabei nicht verstehe: In Deutschland hat man es geschafft, die alten, sehr günstigen Mietverträge aus DDR-Zeiten im Laufe einiger Zeit an das jetzige Marktniveau heranzuführen.

derStandard.at: Oft aber im Zuge von Sanierungen.

Prunbauer: Sanierungen, ja, und über längere Zeiträume. Aber wir schaffen es nur bei Geschäftsraummieten, das sehr langfristig nachzuziehen. Heute haben wir bei den Altmietern oft Mietzinse, die nicht mehr zur Erhaltung dienen können.

derStandard.at: Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass sich im Mietrecht demnächst etwas ändern wird? Stichwort Vorschläge der Grünen mit bis zu 80-prozentigen Abschlägen vom Mietzins, wenn das Haus nicht mindestens Niedrigenergiestandard hat.

Prunbauer: Das Mietrecht funktioniert derzeit halbwegs, deshalb glaube ich nicht, dass es schon bald zu Änderungen kommt. Das wird derzeit auch von so vielen anderen Problemen überlagert. Aber die Vorschläge - zum Jahreswechsel jene von der Mietervereinigung, jetzt von den Grünen noch ein bisschen schärfer - laufen alle in die andere Richtung: noch mehr Regulierungen, noch mehr Vorschriften und Strafen. Das ist der falsche Weg. Damit werden wir nicht nur den Vermietern schaden, sondern auch der umgebenden Wirtschaft. Je mehr wir einschränken, desto mehr Schäden werden wir verursachen.

Immer mehr Hauseigentümer tun sich schon schwer, Geld für ihre Investitionen aufzutreiben. Und es gibt auch immer mehr Leute, die ihre kleine Eigentumswohnung nicht verkaufen, wenn sie in eine größere ziehen, sondern dann vermieten. Es gibt also immer mehr Eigentümer in Österreich, und das ist auch ein wichtiger Aspekt, der uns lokal viel nutzen kann.

derStandard.at: "Eigentums- ist wirtschaftsfeindlich", steht in Ihrer ersten Aussendung als ÖHGB-Präsident. Laut Wohnbauforschern ist in Österreich das Verhältnis zwischen Miet- und Eigentumssektor aber derzeit annähernd perfekt - mit 60 Prozent Eigentum und 40 Prozent Miete, davon wiederum 20 im regulierten und 20 im freien Sektor. Ein funktionierender Mietenmarkt ist auch wichtig für den Arbeitsmarkt, das hat die OECD festgestellt.

Prunbauer: Einen funktionierenden Mietenmarkt wird es dann geben, wenn er sich bewegen kann. Je mehr ich den Mietenmarkt reguliere, umso mehr werde ich ihm schaden. Das liegt auf der Hand.

derStandard.at: Aus Ihrer Sicht!

Prunbauer (lacht): Ja, das liegt für mich auf der Hand, das gebe ich zu. Die öffentliche Hand muss eben Subjektförderung betreiben oder neue Wohnungen bauen, wenn sie regulierend eingreifen will. Wobei im Übrigen im letzteren Fall das geltende Eintrittsrecht ebenfalls oft schadet, weil dann auch der Sohn, selbst wenn er Generaldirektor ist, in eine solche Wohnung ziehen kann.

derStandard.at: In Deutschland gibt es jetzt ein neues Gesetz, das die Sanierungsrate vorantreiben soll und ziemlich vermieterfreundlich ausgefallen ist. Vermieter können beispielsweise elf Prozent der Sanierungskosten jährlich auf die Miete draufschlagen. Sollten sich auch bei uns die Mieter eine Zeit lang an den Investitionen beteiligen müssen?

Prunbauer: Ja, weil sie eben ganz klar den Vorteil daraus haben! Warum müssen die Investitionen allein vom Eigentümer getragen werden?

derStandard.at: Halten Sie diese Art von "Regulierung" für vernünftiger als die reine Förderung der thermischen Sanierung für den Hausbesitzer?

Prunbauer: Fördermaßnahmen wie der "Sanierungsscheck" können - so notwendig sie auch sind - nicht auf Dauer einen fairen, funktionierenden Markt ersetzen. Obwohl: Die Thermische-Sanierung-Förderung hat sich hierzulande bewährt. Da ist wirklich etwas weitergegangen.

derStandard.at: Fürchten Sie, dass die Maßnahmen, die demnächst aus Brüssel kommen könnten - Stichwort Energieeffizienzrichtlinie -, für die Hausbesitzer nicht so freundlich ausfallen werden?

Prunbauer: Das Problem, das wir mit Brüssel haben, ist, dass von dort sehr viele Regelungen aus verschiedenen Bereichen kommen, die durchaus auf den Immobilienbesitz Einfluss haben. Etwa die Smart Meters, die in unsere starren Systeme sehr schwer einzubauen sind. Wenn man ein altes Palais hat und dieses inklusive "Doormen", Wäscheservice etc. vermieten will, dann kann man das gar nicht in die Betriebskosten aufnehmen, weil das alles nicht im fixen Betriebskostenkatalog drinsteht. Das müsste man alles auslagern, um es weiterverrechnen zu können. Aber selbst da ist wenig Beweglichkeit da. Selbst wenn es der Mieter will, kann ich das mit ihm nicht ausmachen.

derStandard.at: Das wäre doch eine Verhandlungsmasse, um der langjährigen Forderung der Mieterschützer entgegenzukommen, die Hausversicherungen aus dem Betriebskostenkatalog zu streichen?

Prunbauer: Ich weiß grundsätzlich gar nicht, warum wir diesen Katalog überhaupt brauchen. Das muss ich doch mit dem Mieter ausmachen können, was er will und was ich ihm verrechnen kann und was nicht.

derStandard.at: Für jedes Haus und jede einzelne Wohnung, meinen Sie?

Prunbauer: Ja. Warum kann ich nicht freie Vereinbarungen auch in diesem Bereich haben? Den Mieter interessiert, was er in Summe zahlt. Die meisten zumindest interessiert nur das.

derStandard.at: Da braucht es dann aber engagierte Mieter, Mieterbeiräte etc.

Prunbauer: Das sind in der Regel alles mündige und erwachsene Menschen! Diese alte Vorstellung, dass da ein übermächtiger Vermieter ist, dem ein armer, kleiner, eingeschüchterter Mieter gegenübersteht, die ist bitte hoffentlich längst vorbei. Oft ist es heute nämlich auch schon so, dass ein älteres Ehepaar ein Zinshaus betreibt, und der geschützte Mieter ist ein Universitätsprofessor. Ich glaube, wir dürfen nicht mehr in solchen Bildern denken.

derStandard.at: Also ganz weg mit dem Betriebskostenkatalog?

Prunbauer: Man müsste ihn zumindest öffnen, damit man andere Sachen zusätzlich vereinbaren kann. Aber das ist nicht unser vordringliches Thema. Mir geht es mehr darum, was mit den Mieten, den Altmieten, dem Eintrittsrecht, dem Befristungsabschlag passiert.

derStandard.at: Aber bleiben wir noch ein bisschen beim Thema Hausversicherung. Die Mietervereinigung trommelt seit Jahren, dass die aus dem Betriebskostenkatalog raussollte, weil sie nur dem Vermieter nützt.

Prunbauer: Ich bin nicht der Meinung, dass das nur dem Vermieter nützt, denn die Abdeckung von Schäden des Hauses ist auch im Interesse des Mieters, der in dem Haus drinnenbleiben will. Und dann sind das eben Ausgaben, die man in diesem Zusammenhang hat. Aber nochmals: Ich glaube nicht, dass das das vordringliche Thema ist. Für den Mieter kommt es darauf an, wie hoch der Mietzins ist und was er sich leisten kann. Für den ist gar nicht so interessant, was davon die Betriebskosten sind und was der Netto-Hauptmietzins ist. Für den ist interessant, dass er für die Wohnung beispielsweise unterm Strich 500 Euro zahlt.

derStandard.at: Aber wenn die Gebäudeversicherungen nicht als Betriebskosten verrechnet werden dürften, dann würde er eben insgesamt weniger zahlen.

Prunbauer: Nur wenn man gleichzeitig den Mietzins angebunden lässt. Aber gewisse Dinge irgendwo wegzunehmen und sonst alles gleich zu lassen, das ist in Wahrheit wieder der Weg in die falsche Richtung; das Denken über den bösen Vermieter, der in Wahrheit so reich ist.

derStandard.at: Gutes Stichwort: Wie viele Häuser besitzen Sie?

Prunbauer: Ich habe kein ganzes Zinshaus, nur einzelne Wohnungen. Aber ich habe beruflich natürlich sehr viel mit Zinshäusern zu tun.

derStandard.at: Sie selbst sind dann also gar kein "typisches" ÖHGB-Mitglied, denn das sind wohl meist Zinshausbesitzer.

Prunbauer: Ja, die meisten sind Zinshausbesitzer. Wir haben aber auch andere Immobilieneigentümer und auch eine Reihe zinshausnaher Berufe im ÖHGB - Anwälte, Steuerberater, Baumeister -, die beruflich zu tun haben mit Hausvermietung etc. Mein Vorgänger Friedrich Noszek ist beispielsweise Hausverwalter.

derStandard.at: Werden die ÖHGB-Mitglieder eher mehr oder eher weniger? Die Zinshäuser verschwinden ja angeblich, andererseits gibt es mehr Vorsorgewohnungs-Besitzer.

Prunbauer: In Wien haben wir um die 6.000 Mitglieder, diesen Stand halten wir jetzt schon seit einiger Zeit. Mit dem Boom bei den Vorsorgewohnungen nahmen die Eigentumswohnungen tatsächlich stark zu. Auch im Zuge der neuen Immobilienbesteuerungen mussten wir unsere Beratungsleistungen verstärken. Generell beraten wir jeden, der Grund und Boden besitzt, denn die steuerlichen Richtlinien betreffen alle.

derStandard.at: Ist der Beratungsaufwand auch im Zuge der Immobilienbesteuerung gestiegen?

Prunbauer: Auf jeden Fall, ja. Viele betrifft es zwar gar nicht, aber manche wollen eben auch wissen, wie sie's treffen könnte. (Martin Putschögl, derStandard.at, 12.6.2012)