Bild nicht mehr verfügbar.

Tom Ford bei der Costume Institute Gala im Metropolitan Museum of Art in New York im Mai 2012.

Foto: EPA/Justin Lane

STANDARD: Warum sind schwule Männer die besseren Modedesigner?

Tom Ford: Das ist eine gute Frage. Ich würde mir wünschen, ich wüsste die Antwort. Es ist nämlich wirklich so, dass die meisten männlichen Designer schwul sind. Um die Wahrheit zu sagen, hasse ich die Worte schwul und hetero. Ich denke, wir sind alle irgendwo dazwischen. Aber vielleicht können schwule Männer besser mit gewissen Gefühlen umgehen als heterosexuelle. Aber ich weiß es wirklich nicht.

STANDARD: Mit welchen Gefühlen können Sie besser umgehen? Oder anders gefragt: Woher kommt Ihre Inspiration?

Ford: Meine Lieblingsbeschäftigung ist es, in der Badewanne zu liegen. Ich verbringe dort den halben Morgen. Da überlege ich mir, was ich konkret machen werde, einen Notizblock habe ich immer griffbereit. Im Büro umgebe ich mich mit Menschen, die einen guten Geschmack haben. Nachdem mein Name aber auf den Produkten steht, muss ich am Ende natürlich sagen, was mir gefällt. Mein Job ist es, die Leute zu animieren, das Beste aus sich zu holen. Wenn mir nicht gefällt, was sie mir zeigen, dann sage ich das sehr deutlich.

STANDARD: Ihre Mode ist supersexy, die Preise sehr hoch. Leben Sie dieses Image auch in der Realität?

Ford: Viele Menschen sagen, dass ich für sie der Inbegriff von Glamour bin. Aber das ist kein Wort, über das ich nachdenke. Der Ausdruck Sexyness ist dagegen eine gute Beschreibung, wie ich die Welt sehe, was meinen Geschmack ausmacht. Wahrscheinlich kommt das daher, dass ich die 1970er-Jahre in New York verbracht habe, wo alles gestreamlined war, und das hat mich geprägt. Das war eine sehr glamouröse Zeit. Wir sind aufgewachsen mit dem Wunsch, die Welt so zu erschaffen, wie wir sie immer haben wollten. Heute schaut mein Leben ganz anders aus. Die Vorstellung, ich wäre von nackten Mädchen umgeben, die mich mit Parfum überschütten, entspricht in keinster Weise der Realität. Die schaut eher so aus, dass ich zu Hause bleibe und im Fernsehen Friends schaue.

STANDARD: Warum spielen Sie eigentlich mit dem Image des heterosexuellen Mannes in Ihrer Werbung, obwohl Sie doch offen schwul sind?

Ford: Es gibt doch auch viele Bilder von mir mit nackten Buben! Ich verkaufe Make-up, und ich bin das Gesicht meiner Marke, und das, obwohl ich es nicht mag, fotografiert zu werden. Ich bin nämlich recht scheu. Bei Chanel hat man das Gefühl, dass Karl Lagerfelds Persönlichkeit sich bereits mit jener von Coco Chanel gemischt hat, bei mir ist es aber immer noch so, dass viele nicht wissen, wer ich bin. Deswegen ist es wichtig, dass ich in der Werbung selbst vorkomme.

STANDARD: Sie sind seit 25 Jahren mit Ihrem Partner, dem Journalisten Richard Buckley, zusammen. Wie geht er mit Ihrem Bekanntheitsgrad um?

Ford: Es geht eher darum, wie er es schafft, mit mir umzugehen. Aber das müssen Sie ihn schon selbst fragen. Aber ich kann Sie beruhigen: Zu Hause spielt meine Bekanntheit keine Rolle.

STANDARD: Lassen Sie uns zurückblicken zu Ihren Anfängen. Sie sind in Texas aufgewachsen ...

Ford: Ja, das war damals die totale Hippie-Zeit. Ich lebte in einer kleinen Unistadt, und ich hatte lange Haare. Bis ich 18 war, dann schnitt ich sie mir ab. Ich erinnere mich an eine Episode an einer Tankstelle, ich hatte lange Haare, trug ein Hemd, das vorn geschnürt war und auf das ich Perlen genäht habe. Ich sah aus wie ein Mädchen!

STANDARD: Wie sind Sie in diesem Umfeld dann in der Mode gelandet?

Ford: Das hört sich jetzt wahrscheinlich so an, als ob ich die Geschichte erfunden habe. 1984 war ich in Moskau, und ich studierte dort Architektur. Was mich aber wirklich beschäftigte, als ich die Architekturmodelle baute, war, wie die Menschen in ihnen ausschauten und was sie anhatten. Da hat es dann irgendwann Klick gemacht, und ich wusste, ich will eigentlich Modedesigner werden.

STANDARD: Was wollten Sie damals konkret entwerfen?

Ford: Ich wollte ein ganzes, eigenes Universum erschaffen. Ich mag es, Einzelstücke zu entwerfen, aber was mich noch mehr interessiert, sind die Zusammenhänge. Ralph Lauren und Calvin Klein waren die Ersten, die eigene Mode-Welten kreierten. Amerikaner sind sehr wirtschaftsorientiert, nicht dass das im Rest der Welt viel anders wäre. Aber nachdem ich im Textilviertel auf der 7th Avenue in New York gearbeitet habe, wusste ich aus Erfahrung, wenn man eine Kollektion macht, die niemand kaufen will, dann ist man am nächsten Tag seinen Job los.

STANDARD: Sie haben für einige Jahre den Lauf von Gucci und Yves Saint Laurent bestimmt, 2004 dann aber ein eigenes Label gegründet. Warum wollten Sie selbstständig in einem viel übersichtlicheren Rahmen arbeiten?

Ford: Der Grund, warum ich meine Mode in einem intimen Rahmen zeige, hängt mit der Besonderheit meiner Kleidung zusammen. Die Unterfütterung, die speziellen Schnitte, die Nähte würden auf dem Laufsteg niemanden auffallen. Dort muss man übertreiben. Mir geht es aber darum, Mode ohne Ablaufdatum zu entwerfen, die keinen Vergleich scheuen muss.

STANDARD: Ist das auch eine Reaktion auf die immer größere Geschwindigkeit der Mode?

Ford: Ja, man kann die Mode mit einem riesigen Schneeball vergleichen, der den Hang runterrollt und immer größer wird. Man kann sich ihm nicht in den Weg stellen. Früher einmal gab es einen Look pro Saison, heute existiert alles gleichzeitig. Ich weiß nicht, wohin das alles führen wird. Aber nachdem es den Schneeball nun einmal gibt, muss man darauf reagieren, und ich mache das eben auf meine Art und Weise.

STANDARD: Sind die zwei Modesaisonen mittlerweile überholt?

Ford: Es wäre toll, die Kollektion dann zu zeigen, wenn einem danach ist. Das wäre dann eine wirklich inspirierte Kollektion. Aber man muss auch die Realitäten sehen: Es gibt Geschäfte, und dort arbeiten viele Menschen, Kunden wollen neue Produkte sehen, und deswegen gibt es Zyklen in der Mode. Aber klar: Änderungen stünden an.

STANDARD: Sie haben einen interessanten Karrierewechsel hinter sich. Mit Colin Firth drehten sie "A single man". Wie war das, plötzlich einen Film zu machen?

Ford: Ich hatte eine klare Vorstellung davon, was ich machen will. Ich hatte etwas zu sagen, das war eine sehr emotionale Sache. Angst hatte ich keine, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als ich am Schneidetisch saß. Ich werde wahrscheinlich wieder einen Film drehen, aber zuerst muss ich noch einige Frauenkollektionen entwerfen. Mode zu entwerfen ist wesentlich schwieriger, als einen Film zu machen. Mode hat eine kurze Lebensdauer, wenn man Filme macht, kann man auch mal eine Pause von vier, fünf Jahren einlegen. In der Mode ist man eigentlich ständig außer Atem.

STANDARD: Dabei wirken Sie so perfekt. Haben Sie eigentlich auch schlechte Eigenschaften?

Ford: Ich bin ein Perfektionist, das treibt Leute in den Wahnsinn. Eigentlich ist es schrecklich, ich sage sogar Leuten, dass ihre Augenbrauen nicht perfekt sind oder dass ihre Brustimplantate die falsche Größe haben. Früher hatte ich eine gemeine Ader. Heute versuche ich, mit meiner Ehrlichkeit anders umzugehen. (Charles Wilcox, Rondo, DER STANDARD, 08.06.2012)

Übersetzung: Stephan Hilpold