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Die Leser/innen von derStandard.at haben im Rahmen des von Oesterreichs Energie initiierten Energiediskurses die Möglichkeit, Fragen zur Zukunft der Energieversorgung direkt an Generalsekretärin Barbara Schmidt zu stellen und sich so an der Diskussion aktiv zu beteiligen.

Die Antworten erscheinen regelmäßig hier auf dieser Seite. Senden Sie ihre Fragen an energiediskurs@derStandard.at oder als Posting hier!

Foto: Oesterreichs Energie/Christian Fischer

Durch den steigenden Stromverbrauch und den Umbau des Energiesystems stoßen die Stromnetze in Spitzenzeiten an ihre Kapazitätsgrenzen. Das zeigte sich insbesondere im Winter 2011/2012. Die Gefahr eines Blackouts steigt, und oft genügen dann nur noch kleine Ursachen, um den Ausfall von Systemen auszulösen. Die Schäden, die ein Blackout verursacht, sind dagegen enorm, denn unsere Gesellschaft ist abhängig vom Funktionieren elektrischer Systeme.

Informationstechnik, Telekommunikation und Dienstleistungen

Am unmittelbarsten spürt die vernetzte Wissens-, Informations- und Industriegesellschaft ein Blackout durch den schrittweisen kompletten Wegfall von Kommunikations- und IT-Infrastrukturen. Stromabhängige Endgeräte wie Desktop-Computer, Server sowie DSL- und Kabelmodems fallen sofort aus. Akkubetriebene, mobile Geräte können je nach Ladezustand und Nutzungsweise noch ein paar Stunden oder Tage genutzt werden. Doch da in Laptops integrierte Modems von Orts- bzw. DSL-Vermittlungsstellen abhängig sind, die spätestens nach ein paar Stunden ausfallen, ist ein Internetbetrieb nur noch zeitlich begrenzt möglich. 

Analoge Telefonapparate können vorerst weiter betrieben werden. Diese werden über Telefonkabel von Ortsvermittlungsstellen mit Strom versorgt, die über einen Energiepuffer von 15 Minuten bis acht Stunden verfügen. Die Fernvermittlungsstellen können, über Notstromaggregate versorgt, acht Stunden bis vier Tage weiterarbeiten.

Auch das Mobilfunknetz kann mittelfristig aufrechterhalten werden: Die Endgeräte sind - je nach Akku-Ladestand - vorerst nicht betroffen, da die zentralen Vermittlungsstellen bei funktionierender Notstromversorgung noch etwa acht bis 48 Stunden funktionieren. Schwächstes „Glied" in dieser elektronischen Kommunikationskette sind allerdings die Basisstationen, die über Energiepuffer von nur 15 Minuten bis maximal acht Stunden verfügen. Außerdem ist damit zu rechnen, dass die Mobilfunknetze dauerhaft überlastet sein würden.

Von einer funktionierenden Informations-, Kommunikations- und Telekommunikationsinfrastruktur hängen verschiedenste Dienstleistungen ab. Grobe Einschränkungen gibt es beispielsweise beim Geldverkehr: Banken müssen geschlossen bleiben, Geldautomaten fallen aus. Online-Banking ist nicht mehr möglich, der bargeldlose Zahlungsverkehr kommt zum Erliegen. Bei einem tagelangen Stromausfall würde die Nachfrage nach Bargeld stark steigen, was wiederum aufgrund der geschlossenen oder im Notbetrieb arbeitenden Banken zu echten Problemen führen könnte.

Transport und Verkehr

Betroffen sind sowohl der Individual- als auch der Öffentliche Nah- und Fernverkehr: In Ballungszentren fallen Straßenbeleuchtung, Ampel- und Belüftungsanlagen sofort aus. Schrankenanlagen öffnen sich nicht mehr, Straßenbahnen und Oberleitungsbusse bleiben stehen. Es kommt zu Unfällen und Staus. In den Städten bleiben U-Bahnen stehen und müssen evakuiert werden. Elektrische Züge bleiben auf offener Strecke, auf Brücken oder in Tunneln liegen. Stellwerke und Weichen können nur mehr von Hand bedient werden. Da die Treibstoffpumpen ausfallen, kann auch an den Zapfsäulen nicht mehr getankt werden. 

Trotz der extensiven Notstromversorgung der Flughäfen wird der Luftverkehr auf ein Minimum reduziert; es entstehen vor allem Probleme im Bereich der Flughafenlogistik. Im Schifffahrtsbereich kommt das Be- und Entladen zum Erliegen, da die Kräne nicht mehr mit Strom versorgt werden können. Eine geeignete Lagerung von gefährlichen oder verderblichen Gütern kann nicht mehr gewährleistet werden.

Wasserversorgung und Abwasserentsorgung

Nicht zu unterschätzen sind auch die Auswirkungen im Trinkwasser- und Abwasserbereich: Die Wasserförderung durch Pumpen kommt bereits nach kurzer Zeit zum Erliegen. Die Wasserversorgung in Hochhäusern bricht gänzlich zusammen, da die Pumpen zur Druckerhöhung nicht mehr funktionieren. Die Körperpflege kann nur mehr schlecht durchgeführt werden, Toilettenspülungen funktionieren nicht mehr.

Durch den Ausfall der Mess- und Regeltechnik sowie der Pumpen wird auch die Wasseraufbereitung stark gehemmt. Die Abwasserentsorgung bricht zusammen, da der Abtransport vielerorts auf Pumpen und Hebewerke angewiesen ist. Durch die schlechtere Wasserversorgung entstehen insgesamt weniger Abwassermengen, was die überhaupt möglichen Transportmengen reduziert. In Kläranlagen kommt die Abwasserbehandlung zum Erliegen, was die Umweltverschmutzung und Seuchengefahr steigert.

Gesundheitswesen und Altenpflege

Da die Krankenhäuser bei einem großflächigen und längerfristigen Stromausfall ausschließlich auf ihre eigene Notstromversorgung angewiesen sind, müssen Abteilungen geschlossen werden. Arztpraxen werden zum Teil geschlossen, da viele Diagnoseapparate Strom benötigen und Ärzte in Krankenhäuser oder zu Sammelstellen berufen werden. Bereits in der ersten Woche entsteht ein Mangel an Insulin, Blutkonserven, Blutprodukten, Sterilgut und frischer Wäsche. Auch die Versorgung mit Medikamenten ist zunehmend schwieriger, da die Vorräte der Krankenhausapotheken bald aufgebraucht sind. Eine bedarfsgerechte Belieferung durch Hersteller und Handel bleibt aus. Die Krankenhäuser sehen sich mit den schwindenden Kraftstoffreserven ihrer Notstromaggregate konfrontiert. Auch Apotheken können Medikamente nicht mehr nachbestellen, die richtige Lagerung der Medikamente wird immer schwieriger. In den Alten- und Pflegeheimen sind die Aufzüge, Pflegestationen und die Essensbereitung auf Strom angewiesen. - Eventuell muss hier mit einer erhöhten Sterberate gerechnet werden.

Lebensmittelversorgung

In der Lebensmittelversorgung ist mit gravierenden Problemen zu rechnen: So hat der Stromausfall Auswirkung auf die landwirtschaftliche Nutztierhaltung, Milchgewinnung, Stallreinigung, Fütterung, Beleuchtung und Klimatisierung. Bei einem lang andauernden Stromausfall insbesondere im Winter kann es sogar zum Massensterben in Großbetrieben kommen.
Im Lebensmittelhandel kann die fachgerechte Lagerung (Kühlung) der Lebensmittel nicht mehr gewährleistet werden, die Kassensysteme funktionieren nicht mehr. Es kommt zu Problemen bei der Nachlieferung, die Preise steigen an. Bereits nach einer Woche können in den von Stromausfällen betroffenen Gebieten die Lebensmittelvorräte zur Neige gehen. Eine flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung mit Lebensmitteln wird immer schwieriger.

Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben

Nicht zu unterschätzen sind in diesem Zusammenhang die psychologischen Auswirkungen auf die Bevölkerung, denn ein längeres Andauern der Situation kann von den Menschen als zermürbend empfunden werden. Zeitungen werden nicht gedruckt, Radios können nur mehr eingeschränkt über Batterie betrieben werden. Durch den kompletten Ausfall des Fernsehens fällt nicht nur ein wichtiges Informationsmedium weg, auch der Wegfall der gewohnten Ablenkung und Zerstreuung wirkt auf viele demoralisierend.

Durch den Wegfall von elektronischer Sicherheitstechnik und stark eingeschränkter Kommunikation ist eventuell mit einem Steigen der Kriminalitätsrate zu rechnen. Weiters ist der menschenwürdige Betrieb von Gefängnissen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Sie müssten evakuiert werden.

Diverse Studien belegen überhaupt, dass ein längeres Blackout unser Gesellschaft destabilisieren kann. Doch schon häufigere kurze Blackouts gefährden Wirtschaftsstandorte. So verursachen solche kurzen Blackouts, die auch mehrmals am Tag auftreten können, beispielsweise in den USA jährlich einen wirtschaftlichen Schaden zwischen 104 und 164 Mrd. US-Dollar.