Das offizielle Werbeplakat für die Aufräumkampagne gegen illegale Ausländer in Peking.

Foto: An Yan

Nach all den Berichten und Diskussionen über "gute Ausländer" hat nun ein Video für großen Aufruhr in China gesorgt. In dem Video, das auf dem Videoportal Youku gepostet, innerhalb von zwei Stunden 2.000-mal geteilt und mittlerweile mehrere Millionen Mal angeschaut wurde, sieht man einen Westler, der in der Nacht des 8. Mai auf einer Pekinger Straße eine schreiende Chinesin nötigt. Einige chinesische Männer reißen ihn daraufhin von der Frau weg und verprügeln ihn auf offener Straße. Einige Tage lang war Weibo (chinesischer Twitter-Dienst) voller Diskussionen, die von nationalistischen, ausländerfeindlichen Beiträgen bis hin zu Mutmaßungen reichten, dass der Mann von einer Prostituierten hereingelegt worden sei, um noch mehr Geld zu erpressen. Solche Vorfälle gebe es immer wieder, bestätigten Kommentare.

Vom lokalen Vorfall zur Weltpolitik

Unverhohlen nationalistische Posts beschimpfen den Briten, der sich auf chinesischem Territorium danebenbenommen hatte. In einer Situation, in der das Land bereits im Südchinesischen Meer und von den USA Demütigungen ertragen muss, soll die Politik wenigstens im eigenen Land gegen solche Ausländer vorgehen. Nicht wenige nennen in ihren Posts die Ausländer "Tiere", eine traditionelle Bezeichnung für Nichtchinesen.

Der Westler stellte sich mittlerweile als britischer Tourist heraus, und die Polizei bestätigte, dass es sich um eine versuchte Vergewaltigung gehandelt habe. Der Brite hatte zuvor bereits mehrere chinesische Frauen sexuell belästigt und ist mittlerweile in Haft.

Doch der Vorfall entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit von einer individuellen Straftat zu einem öffentlichen Aufschrei gegen "die Westler", die China noch immer demütigen würden. Die allgemeine Empörung über die Westler, die es sich in China gemütlich machen, zog von den Social-Media-Plattformen über die öffentlichen Medien bis in die Politik. Vollkommen außer Acht lassend, dass der Vergewaltiger Tourist war, häufte sich die Empörung über Westler in China. "Ausländischer Müll", wie der Fernsehmoderator Yang Rui auf Weibo postete, finde in der eigenen Heimat keine Arbeit und komme so nach China, wo diese Männer junge Chinesinnen verführen und allerhand zwielichtige Geschäfte treiben würden. Immer wieder kommt die Beschuldigung auf, Ausländer seien Spione des Auslands. Nun sei es an der Zeit, China davon zu säubern.

Die "Three-have-nots "-Ausländer

Das Amt für öffentliche Sicherheit in Peking verkündete eine 100-tägige Kampagne, in der Peking von Ausländern gesäubert werden soll, die kein gültiges Visum, Aufenthalts- oder Arbeitsgenehmigung haben. Diese Kampagne wird vom 15. Mai bis Ende August dauern. Chinesen wurden aufgefordert, auffällige Ausländer bei einer Hotline zu melden. Das Amt gab bekannt, dass von den etwa 200.000 Ausländern - in chinesischen Übersetzungen "aliens" genannt - in Peking diejenigen, die in diese Kategorie fallen, kriminelle Subjekte seien und manche von ihnen nur in China seien, um illegale Geschäfte zu drehen.

Auch Westler kommentierten diese Kampagne. Menschen wie Jeremy Goldkorn, der die Website danwei.org gründete, zeigte die hoffnungslose Situation von "guten" Ausländern in dieser emotional aufgeheizten Atmosphäre auf: "I am officially, seriously and sincerely a three-have laowai. Visa, residence permit, and work permit, I have them all. I am also a three-no laowai: I am no rapist, no fraud, and I steal no job from Chinese. Nevertheless, there are surely people who call me 'foreign trash' or whatever."

Die empörten Kommentare zählen die unbeliebtesten Ausländer neben den Westlern auf: Vermeintlich illegale Arbeiter von den Philippinen, Afrika, Russland und, am wichtigsten: Chinesen mit nichtchinesischem Pass. Vor allem sie seien Landesverräter.

Es ist tatsächlich so einfach ...

Ausländer ohne Arbeitsgenehmigung sind leider tatsächlich keine Seltenheit; gerade in China ist es so einfach, sich lediglich mit Studentenvisum aufzuhalten. Wenn man solch ein Visum beantragt, darf man sich von sechs bis zu zwölf Monaten in China aufhalten und faktisch tun und lassen, was man will. Auch wenn man offiziell nicht arbeiten darf: Bisher gab es nur eine mir bekannte Kontrolle in Guizhou, wo zwei Models über Nacht festgehalten, aber dann ohne Konsequenzen wieder freigelassen wurden. Die wenigsten Arbeitgeber, Vermieter und Polizeibeamten kümmern sich um solche "offiziellen Nichtigkeiten". Fast alle Studenten in Kunming arbeiten nebenbei oder sogar Vollzeit - und sind somit offiziell illegal. Aber was in der europäischen Heimat kaum vorstellbar ist, ist in China kein Problem. Kaum einer, den ich dazu befragte, machte sich Gedanken darüber. Aber wird man deswegen gleich zu Müll? (An Yan, daStandard.at, 13.6.2012)