Die prämierten ORF-Mitarbeiter. V.l.n.r.: Isabelle Engels (Leopold Ungar Preis 2010 und Prix Bohemia 2011), Arno Aschauer, Ursula Scheidle (beide Leopold Ungar Anerkennungspreis 2011 und Claus Gatterer Preis 2012) und Monika Kalcsics (1. Preis der Radiostiftung Basel).

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In Inseraten wirbt der ORF mit seinen "ausgezeichneten" Journalisten. Ursula Scheidle, Monika Kalcsics, Isabelle Engels und Arno Aschauer sind auch dabei.

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Im Jänner 2012 machten die freien ORF-Mitarbeiter ihren Protest über die niedrigen Honorare öffentlich. Seit dem Frühjahr laufen die Verhandlungen um eine Erhöhung.

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Der ORF rühmt sich mit ihnen, den "ausgezeichneten" Mitarbeitern. Ihre Arbeitsrealität steht allerdings oft im Widerspruch zu den Preisen, die sie bekommen. Ursula Scheidle, Monika Kalcsics, Isabelle Engels und Arno Aschauer, alles prämierte Ö1-Journalisten und zum Teil seit Jahren beim Sender, erzählen von den prekären Arbeitsbedingungen der freien Radiomitarbeiter und was für sie Qualitätsjournalismus bedeutet.

derStandard.at: Radiodirektor Karl Amon wollte die Honorarverhandlungen mit den freien Mitarbeitern bis Sommer abschließen. Geht es sich aus?

Engels: So, wie der Stand der Gespräche ist, befürchte ich, dass es keine Einigung vor dem Sommer geben wird.

Kalcsics: Als Gruppe der Freien sind wir sehr heterogen, weil wir aus unterschiedlichen Bereichen kommen, dennoch ist es wichtig, dass wir alle hinter den Forderungen stehen. Wir arbeiten für ein sehr großes Unternehmen und sind nur eine von vielen Baustellen. Das ist uns klar geworden und heißt auch, dass der Druck von uns kommen muss. Wir dürfen nicht erwarten, dass das Management mit guten Vorschlägen auf uns zukommt.

Engels: Bis jetzt haben sie ja diese Qualität zu diesem billigen Preis bekommen. Deswegen haben sie keinen Druck, etwas zu verändern.

derStandard.at: Die Grundforderung ist, dass die Honorare auf das Doppelte erhöht werden?

Scheidle: Ja, das ist nach wie vor unser Ansinnen.

Kalcsics: Das Doppelte heißt nicht, dass wir dann gut oder überbezahlt wären, sondern zumindest normal bezahlt. In den letzten Jahren wurden die Honorare nicht angehoben, obwohl es seitens des Managements zum Teil anders behauptet wird. Das ist ein Versäumnis. Vielleicht haben wir zu lange zugeschaut, jetzt ist einfach eine Schmerzgrenze erreicht.

Scheidle: Es wurden zum Teil sogar Honorare gekürzt. Manchmal frage ich mich, wie wäre es eigentlich mit Boni für gelungene Geistesarbeit?

Engels: Eine Erhöhung um 100 Prozent klingt verrückt, wenn Leute um vier, fünf Prozent mehr Lohn kämpfen, aber wir sind einfach so wahnsinnig unterbezahlt. Wenn man sich das Sendung für Sendung ansieht, dann ist es mindestens das Doppelte wert.

Scheidle: Kosten- und Honorarrealität stimmen nicht überein. Bei einem Feature zum Beispiel stellt man sich die Frage: Was motiviert einen, es noch zu machen? Einerseits ist es der Beruf, der Idealismus, dass man als Autor an einem Thema nicht vorbeikommt, und andererseits muss die Entscheidung getroffen werden, ob es sich überhaupt ausgeht. Kann ich mir persönlich bei der Bezahlung so eine Sendung leisten? Der Zeitfaktor spielt eine unglaubliche Rolle, um die Komplexität eines Themas zu erfassen. Es handelt sich um eine gesellschaftlich relevante Angelegenheit, die sich in Lebenswirklichkeiten hineinwagt und einen tieferen Einblick geben möchte, und nicht um eine Selbstverwirklichung, die man sich jetzt einfach so mal persönlich leistet.

derStandard.at: Wie hoch sind die Honorare derzeit?

Kalcsics: Der ORF wird von den meisten ganz anders wahrgenommen, als es unserer Realität entspricht. Fast alle schreiben über den ORF, den Riesenapparat, wo alle abcashen. Sogar in meinem Freundes- und Familienkreis herrscht ein großes Staunen, wenn ich erzähle, dass ich für eine halbstündige Sendung 700 Euro bekomme, für die ich mindestens zwei bis drei Wochen arbeite. Brutto. Und ich muss mich noch selbst versichern. Die Diskrepanz zwischen dem, was bekannt ist, dem, wie wir arbeiten, ist einfach so enorm.

Aschauer: Ich komme vom Fernsehen, habe lange am Küniglberg gearbeitet und bin mit diesem "Hörbild" ("Was lange gärt, wird endlich Wut – Protokoll eines Asylverfahren", Anm.) ins Radio zurückgekehrt. Diese Diskrepanz zwischen Angestellten und freien Mitarbeitern gab es immer schon, die Freien machen aber einen wichtigen Teil des Programms. Sie sind Autoren, Regisseure, Schauspieler und Sprecher. Also jene, die das Publikum wahrnimmt.

Kalcsics: Es ist wichtig zu betonen, dass wir nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten. Bei Ö1 gibt es ein großes Einverständnis, wo klar ist, dass wir das Produkt zusammen liefern. Alle Beteiligten spüren, dass enorm nach unten gedrückt wird. Wir sind an einer Grenze angestoßen.

Engels: Da man von uns Freien lange Zeit gar nicht und dann wie von einer Handvoll Hobbyjournalisten gesprochen hat, die ab und zu mal einen Beitrag liefern, haben wir einmal nachgezählt, wie viel vom Programm wir machen. Ö1 lebt und besteht auch aufgrund unserer Arbeit.

derStandard.at: Lässt sich das in Zahlen gießen?

Engels: Für Jänner haben wir das erhoben. 56 Prozent des Ö1-Programms wurden in diesem Monat von Freien gestaltet. Und weil diese Zahl für Aufregung gesorgt hat: Klar steckt in jeder Sendung nicht nur die Arbeit des Autors, sondern auch der zuständigen Redakteure.

Scheidle: Und es geht dabei auch um die Gesundheit. Es gibt viele, denen es nicht besonders gut geht.

derStandard.at: Weil so viele überlastet sind?

Scheidle: Ja, es herrscht eine große Überlastung.

Aschauer: ORF-Generaldirektor Wrabetz hat ja bei der Feierstunde zur Ehrung der ORF-Mitarbeiter, die ausgezeichnet wurden, euphemistisch gemeint, dass wir es schaffen, die gleiche Programmqualität mit weniger Geld zu halten.

Engels: Burn-out ist bei uns ein großes Problem. Ich weiß zum Beispiel von einem Psychiater, der ein ganzes Kontingent für Funkhaus-Mitarbeiter reserviert hat. Es klingt zynisch, aber freie Mitarbeiter, die eine Zeit lang ausfallen, schmerzen das Unternehmen nicht so sehr, weil ihm dadurch keine Kosten entstehen. Bei Angestellten ist das anders.

derStandard.at: Viele freie Mitarbeiter streben kein Angestelltenverhältnis an.

Kalcsics: Ich verstehe nicht, warum es sich ein Unternehmen nicht leisten kann, einige anzustellen und gleichzeitig Freie zu beschäftigen, die für flexible Programmformen gebraucht werden. Das heißt, Angestellte und Freie je nach Alter und Qualifikation adäquat zu bezahlen. Beide Formen werden gebraucht.

Scheidle: Das Programm braucht diese Vielschichtigkeit für die Heterogenität.

Kalcsics: Es gibt viele, die gerne als Freie arbeiten. Das Unternehmen profitiert vom unterschiedlichen Know-how der Mitarbeiter. Freier Journalismus darf aber nicht Sklavenlohn bedeuten. Leben wir in einem Land, das sich Qualitätsjournalismus nicht leisten möchte?

Aschauer: Es geht auch um die prinzipielle Frage, wie viel der Gesellschaft Qualitätsjournalismus wert ist. Wie viel ist es der Politik wert? Seit dem Jahr 2000 (Bildung der schwarz-blauen Koalition, Anm.) hat sich vieles massiv verändert. Bei der Finanzierung von Qualitätsjournalismus geht es um Meinungsvielfalt und darum, ob ich mir selbst eine Meinung bilden kann oder sie mir nur vorgekaut serviert wird.

Scheidle: Wir produzieren ja nicht nur in der Nische, sondern Sendungen wie unsere "Hörbilder" kommen zum Teil auf 180.000 Hörer. Das ist eine relevante Zahl.

derStandard.at: Die Reichweite von Ö1 ist nicht im Sinkflug, laut dem letzten Radiotest gab es eine Steigerung auf 9,4 Prozent.

Engels: Ö1 ist der erfolgreichste Kultursender Europas, wie immer wieder betont wird. Das freut uns, aber von der Ehre alleine kann man nicht leben.

derStandard.at: Es ist immer von so geringen Honoraren die Rede. Lässt sich das auf einen konkreten Stundenlohn herunterbrechen?

Aschauer: Bei Hörbildern wie jenem über Asylverfahren, das ausgezeichnet wurde, lässt sich das schwer berechnen. Den ersten Kontakt habe ich im März 2010 aufgebaut, im Juni begann ich die ersten Gespräche aufzuzeichnen. Fertiggestellt haben Ursula Scheidle und ich die Sendung im April 2011. Wenn man die Zeit verdichtet, dann waren es sicher drei Monate Vollzeitarbeit. Das steht in keinem Verhältnis zur Bezahlung.

derStandard.at: Wie viel bekommt man beispielsweise für so ein "Hörbild"?

Aschauer: 1.800 Euro brutto. Wir waren zu zweit und haben es uns geteilt.

Engels: Ein Feature lebt davon, dass man reinkommt, Leute findet, sie begleitet, Vertrauen und Beziehungen aufbaut. Das braucht seine Zeit, und wenn man zumindest überschlagsmäßig die Stunden zählt – irgendeine Messlatte braucht man -, dann kommt eben ein Honorar von zwei Euro für ein Feature heraus. Bei anderen Sendeformaten sieht es aber auch nicht viel besser aus – sieben bis zehn Euro, ausnahmsweise einmal 15 Euro.

Kalcsics: Ein "Journal Panorama" ist eine investigative Sendung. Leider geht das dort verloren, weil es sich niemand mehr leisten kann. Diesen Satz "Ich würde gerne, aber ich kann es mir nicht mehr leisten" muss man erst einmal lernen zu sagen.

Engels: Oder man macht es und beutet sich selbst aus, weil es einem einfach ein Anliegen ist.

Kalcsics: Und ja, ich mache es wahrscheinlich mit 26 Jahren, aber nicht mehr mit 37. Das ist der Unterschied. Jeder freut sich nach dem Studienabschluss über die Möglichkeit, für Ö1 zu arbeiten. Da nimmt man mehr in Kauf. Der normale Karriereweg wäre, im Laufe der Jahre immer mehr finanzielle Anerkennung für seine Arbeit zu bekommen. Das ist bei uns nicht der Fall.

Aschauer: Diverse zeitliche Randgeräusche werden sowieso nicht wahrgenommen. Das sind zum Beispiel Kontakte, die man während der Produktion aufbaut und danach weiter pflegt oder Partner, die einem geholfen haben. Wenn das "Hörbild" abgespielt ist, kann ich nicht sagen: "Danke, das war es. Wir werden uns nie mehr wiedersehen im Leben."

Engels: Uns wurde ja vorgeworfen, dass wir Stunden zählen, an irgendetwas muss man sich aber orientieren. Je weiter oben, desto weniger wissen die Leute anscheinend vom Produktionsprozess, wie aufwendig so ein Prozess – vom Recherchieren bis zum Schneiden - ist. Damit solche Sendungen, die prämiert werden, herauskommen, braucht es diese Zeit. Das kann man kaum effizienter machen.

derStandard.at: Zum Beispiel für Ihren Beitrag "Die Kinder vom Schwedenstift", der mit dem Leopold-Ungar-Preis 2010 und dem Prix Bohemia 2011 belohnt wurde.

Engels: In dem Beitrag geht es um behinderte Kinder, die selbst nicht reden können. Bei meinen Sendungen wird immer hervorgehoben, dass sie so sensibel gemacht wurden. Das ist nicht nur eine Frage der Haltung, sondern jedes Wort ist überlegt. Das braucht sehr viel Zeit. Es ist nicht so, dass ich das aus dem Ärmel schütteln kann, weil ich so empathisch bin. Die Botschaft soll klar formuliert sein, darf aber nicht verletzen. Hinter so einem Text steckt extrem viel Arbeit.

Aschauer: Es geht auch um Professionalisierung. Wir hatten bei unserem "Hörbild" über Asylverfahren Situationen, wo man seine eigene Fassungslosigkeit ausdampfen lassen muss, um wieder klar arbeiten zu können. Das ist der Grund, warum wir diese Preise erhalten haben. Eben weil wir nicht polemisch, sondern ausgewogen berichtet haben. Dem Zuhörer muss man die Chance geben, sich zu positionieren. Professionalismus ist hoch bezahlter Idealismus.

Scheidle: Wir haben sicher jeden Satz zehnmal umgedreht, da spielt der Zeitfaktor einfach eine große Rolle.

derStandard.at: Werden im ORF Preise honoriert?

Kalcsics: Dem ORF ist es ein Anliegen, im Ausland als guter öffentlich-rechtlicher Sender wahrgenommen zu werden. Das gelingt eben auch über Preise. Hier bekommen wir die Anerkennung für unsere Arbeit, das spiegelt sich sonst nicht wider. Für mein Feature ("Die Gartengallier", Anm.) habe ich den höchstdotierten Preis im deutschsprachigen Raum gewonnen (Preis der Radiostiftung Basel, Anm.). Das ist dem ORF dann eine Pressemeldung wert. Es wird aber nicht gesagt, wie viel ich für den Beitrag verdient habe. Diese Preise sind für mich nur mehr wegen des Geldes interessant, die Ehre brauche ich nicht.

Engels: Gewinnen wir Preise, dann rühmt sich der ORF für seine Journalisten. Aber – jetzt als banale Beispiele - dass wir genauso vergünstigt essen dürfen oder den Betriebsrat wählen dürfen, das spielt es nicht. Neben den Honoraren, die eines ORF nicht würdig sind. Das heißt, nur wenn es passt, wird mit uns bzw. unseren Produkten geworben.

Kalcsics: In Bezug auf Qualitätsjournalismus möchte ich betonen, dass ich nie das Gefühl hatte, dass meine gelieferte Information abgeschnitten wurde. Das hält uns alle noch in der Arbeit, weil wir einen Ort finden, wo wir Inhalt ausdrücken dürfen, der gesellschaftlich sehr wichtig ist. Deswegen kämpfen wir ja so sehr dafür, weil wir das in diesem Land brauchen.

Scheidle: Und wir brauchen es nicht als Hobby, sondern als Profession, von der man leben kann.

Aschauer: Wir leben ja in einem Zustand der permanenten Bewusstseinserweiterung. Wir öffnen uns etwa neuen Minderheiten, neuen Geschichten und bekommen eine Plattform, wo wir unsere Produkte dem Publikum näherbringen dürfen, um wiederum deren Bewusstsein zu erweitern. Dazu sollte ein Medium da sein.

Engels: Uns wird gesagt, wie toll es nicht ist, dass wir uns für gesellschaftlich wichtige Themen einsetzen können. Das ist auch toll, darf aber nicht alles sein.

Aschauer: Arbeitsrechtlich ist sowieso vieles eine Grauzone. Beim Fernsehen war ich zum Schluss der sogenannte ständige freie Mitarbeiter. Mit eigenem Büro, mit eigener Klappe, Essensmarken usw. Trotzdem habe ich meine Stunden dem Unternehmen geschenkt, weil ich als Freier abgerechnet wurde. Tagsüber wurde gedreht, in der Nacht geschnitten. Das waren dann teilweise Arbeitstage, die 16 Stunden gedauert haben. Die Angestellten, die mit mir gedreht haben, sind halt nach Hause gegangen. Sonst würden die Überstünden ohne Ende machen. Da herrscht auch innerhalb des Unternehmens eine Mehrklassengesellschaft. TV und Radio sind schon einmal ein eklatanter Sprung. Der ORF ist ja nicht ein Block, sondern ein sehr diffiziles, heterogenes Unternehmen.

derStandard.at: Gibt es einen Plan, woher das Geld für höhere Honorare kommen soll?

Engels: Der ORF muss entscheiden, ob er das Programm will und wie er es bezahlen kann. Und wenn er Qualitätsjournalismus um 2,30 Euro pro Stunde will, okay, aber dann soll er es sagen. Es ist ja nicht so, dass wir ein Dienstauto fordern. Der ORF muss – wie jede andere Firma auch – wissen, wie er seine Arbeiter entlohnt. Es geht nicht um 4.000 oder 5.000 Euro pro Monat. Die Existenz steht auf dem Spiel.

Kalcsics: Wir Journalisten wollen nicht nach den Geldern suchen müssen, um eine Arbeitssituation mit normalen Gehältern zu schaffen. Das Unternehmen muss sich deklarieren, was es sein möchte. Möchte es den öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen oder nicht? Da geht es um das Programm und ob das Management an gutem Programm interessiert ist oder eben nicht. Wir machen das eben jetzt zum Thema, weil der Leidensdruck so groß geworden ist.

derStandard.at: Hinkt der ORF öffentlich-rechtlichen Anstalten in Deutschland weit hinterher?

Engels: Im Vergleich wird dort mindestens das Doppelte bis Dreifache für die gleiche Arbeit gezahlt.

Kalcsics: Die deutschen Kollegen lachen uns aus, wenn sie von unseren Honoraren hören. Die würden nie auf die Idee kommen, in Österreich eine Geschichte anzubieten. Während wir versuchen, zumindest Koproduktionen mit Deutschland aufzureißen. Sonst rentiert es sich nicht für uns.

derStandard.at: Wie sieht es bei Ihnen persönlich aus? Sind Frustrationsmomente schon so ausgeprägt, dass ein Jobwechsel eine Option ist?

Engels: Einige Kollegen haben schon die Seiten gewechselt. Der Job ist genau das, was ich machen will. Natürlich denke ich oft, wahrscheinlich sogar jeden zweiten Tag, dass ich es nicht mehr machen kann. Die Überlegung, alles hinzuschmeißen, ist da, weil der Druck so groß ist. Entweder ich beute mich selbst aus, oder ich mache weniger, dann kann ich wiederum nicht davon leben.

derStandard.at: Haben Sie sich eine Deadline gesetzt, bis wann sich die Situation bessern muss?

Engels: Durch den Zusammenschluss, den Protest ist wieder Hoffnung da. Es betrifft ja viele, deswegen habe ich die Deadline wieder verschoben. Eines ist klar: Falls es zu keinem Abschluss kommt, werde ich sicher nicht einfach so weitermachen wie vorher. Das wird keiner machen.

Aschauer: Ich komme ja von der Filmbranche. Dort ist der Geldmangel quasi einzementiert. Es dreht sich dauernd im Kreis. Ich hoffe nicht, dass das hier auch passiert.

Kalcsics: Der ORF hat viel in meine Ausbildung investiert und würde mich verlieren, wenn es so weitergeht. Dann bin ich eine von vielen, deren Know-how für den ORF verloren geht.

Engels: Es ist kein Zufall, dass 80 Prozent der freien Journalistinnen keine Kinder haben. Man kann eigentlich nicht davon leben, das ist ein strukturelles Problem. Wir würden viel lieber über Inhalte reden, können das aber nicht, weil das Finanzielle so im Vordergrund steht. Man kommt sich einfach gedemütigt vor.

Aschauer: Das geht sogar so weit, dass man sich die Frage stellen muss, ob man sich überhaupt eine Beziehung leisten kann, weil man als engagierter Radiojournalist und Freier total flexibel sein muss. Wenn Partner das nicht mittragen, geht es nicht. (Oliver Mark, derStandard.at, 5.6.2012)