Verschoben weil "zu ehrgeizig": die Zentralmatura. Im Bild Bildungsministerin Claudia Schmied und ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon.

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Wien - Der Start der Zentralmatura wird um ein Jahr verschoben. Das gab Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) gemeinsam mit ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon und den Schulpartnern am Montag bei einer Pressekonferenz bekannt. Statt 2014 soll die erste Zentralmatura an den allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) nun 2015 stattfinden, die erste Zentralmatura an den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) statt 2015 erst 2016. Auf freiwilliger Basis sollen Schulen aber auch schon vorher zentrale Reifeprüfungen anbieten können.

"Eltern, Schüler und Lehrer haben sich Sorgen gemacht", begründete Schmied die Entscheidung. Die neue Reifeprüfung gilt als Prestigeprojekt der Unterrichtsministerin, in den letzten Wochen und Monaten erntete sie dafür aber heftige Kritik. Bei der Vorbereitung gebe es Mängel, meinten etwa Schüler- und Lehrervertreter.

"Optionen-Modell"

Auch Schmied sagte, sie habe so manche Unsicherheit bei einer Reise durch die Bundesländer zu verschiedenen Schulstandorten festgestellt. Am Wochenende habe sie sich "intensiv mit den Bildungssprechern beraten". Das Ergebnis der Beratungen sei, dass sie nicht am ursprünglichen Termin festhalten werde. "Wir eröffnen ein Optionen-Modell", so Schmied. "Die Standorte, die wie geplant die Zentralmatura durchführen wollen, können das machen." Alle anderen können ein Jahr zuwarten und ein weiteres Vorbereitungsjahr in Anspruch nehmen.

Um die Zentralmatura vorzeitig einzuführen, braucht es einen Zweidrittelbeschluss der Schulpartner - also von Schülern, Eltern und Lehrern. "Die Schulpartner werden dadurch stärker involviert, wir brauchen gerade bei diesem Projekt positiven Rückenwind", gab sich Schmied optimistisch, die sich offenbar keine Niederlage eingestehen wollte. "Wir wollen die Reform gemeinsam ins Ziel bringen - auch wenn es unterschiedliche Geschwindigkeiten gibt." Die Gesetzesänderung soll noch vor dem Sommer beschlossen werden.

"Im Zeitplan zu ehrgeizig"

Amon stärkte Schmied den Rücken. "Gegen manchen Unkenruf haben wir eine kleine Reformpartnerschaft im Bildungsbereich. Die frühere Blockadepolitik gibt es nicht mehr", sagte der Bildungssprecher der ÖVP.

"In der Bildungspolitik braucht manches seine Zeit. Wir waren im Zeitplan ein wenig zu ehrgeizig", sagte Amon. Er sieht das Projekt aber nicht gefährdet, ein Jahr auf oder ab mache für ihn keinen Unterschied. 

Elmar Mayer, Bildungssprecher der SPÖ, sieht die Schulautonomie gestärkt. Die Schulstandorte hätten nun die Möglichkeit, stärker mitzuentscheiden.

Schulpartner zufrieden

Einen Erfolg für die Schülervertretung sieht Bundesschulsprecherin Conny Kolmann: "Wir haben etwas bewegen können", sagte sie mit Blick auf die monatelang geübte Kritik an der Zentralmatura. Gleichzeitig warnte sie: "Ein Jahr ist gut, aber wir müssen weiterarbeiten."

Auch Lehrervertreter Eckehard Quin zeigte sich zufrieden damit, dass die Besorgnis der Lehrer ernst genommen worden sei. "Die Probleme sind nicht zur Gänze gelöst in einem Jahr, aber das Jahr ist notwendig, um Probleme zu lösen", sagte er. Optimistisch gab er sich, dass die neue Matura ein Jahr später starten wird können: "Ich hoffe, dass sich das ausgeht. Ich habe aber keine Kristallkugel und kann nicht in die Zukunft blicken."

"Fatale Fehlentscheidung"

Die Grünen forderten am Montag unterdessen in einer Presseaussendung Schmied zum Rücktritt auf. Die Entscheidung der Ministerin sei "eine fatale Fehlentscheidung", erklärte der grüne Bildungssprecher Harald Walser. Schmied sei nun mit zwei zentralen Reformen - der gemeinsamen Schule und der Zentralmatura - gescheitert: "Sie sollte die Konsequenzen ziehen und das Feld räumen." 

In Anspielung auf die "überschwängliche Freude der VP-nahen Interessenvertretungen über die abgeblasene Zentralmatura" sieht Walser die "Bildungsblockierer triumphieren - zum Schaden des Bildungssystems": "Der Kleingeist gewinnt die Oberhand über den Reformwillen. Und die Ministerin lässt sich auf offener Bühne von den Blockieren hinrichten." Das sei "die Bankrotterklärung der rot-schwarzen Bildungspolitik". Von der eigenen Partei habe Schmied keine Unterstützung erhalten, von der ÖVP sei sie "bis aufs Messer bekämpf worden".

FPÖ und BZÖ begrüßen Entscheidung

Als einen "Sieg der Vernunft" wertet FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz die Verschiebung der Zentralmatura um ein Jahr. Die FPÖ habe dies angesichts der knappen Vorbereitungszeit für Schüler und Lehrer wiederholt gefordert. "Was außerdem noch gefragt ist, ist die umfassende Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten Zentralmatura-Probeläufe", so Rosenkranz in einer Aussendung. 

Als "notwendigen Schritt" bezeichnete BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner die Verschiebung. Die vorangegangenen Diskussionen hätten "bereits gezeigt, dass es sich bei den Vorbereitungen zur Zentralmatura um eine Husch-pfusch-Aktion gehandelt hat", erklärte Haubner in einer Aussendung. (APA/rwh, derStandard.at, 4.6.2012)