Eine Wartung im Hangar der Airline: Die Ingenieure, die am Flugzeug arbeiten, haben dicke Brillen auf ihren Nasen, wie man sie von Experimenten mit virtueller Realität kennt. Ihre Träger lernen so üblicherweise, in eine ganz andere Wirklichkeit einzutauchen und sich in ihr zurechtzufinden. Hier erfüllt die Brille den Zweck, die Wirklichkeit vor Augen mit Informationen zu ergänzen, die der derart futuristisch gestylte Wartungsdienst für seine Arbeit braucht: Was er bisher in Handbüchern nachschlagen musste, wird ihm nun über eine Datenleitung auf die Innenseite der Brillengläser gezaubert. Im besten Fall sind es nur Informationen über jene Details der Maschine, auf die der Blick des Ingenieurs gerade fällt.

Die Technologie für Augmented Reality (AR), so die exakte Bezeichnung für diese Erweiterung der Wirklichkeit durch digitale Komponenten, scheint hier vor allem Zeit zu sparen. "50 Prozent der Reparaturdauer", weiß Augmented-Reality-Experte Dieter Schmalstieg von der Technischen Universität Wien, "werden mit Nachschlagen verbraucht." Die Technologie ermöglicht aber auch präziseres Arbeiten: Chirurgen mit einer derartigen Datenbrille erhalten nicht nur automatisch Informationen, die sie ansonsten abfragen müssten (zum Beispiel: Blutdruck des Patienten), sie gewinnen auch an Sicherheit. Zusatzinfos über den Bereich des Körpers, in dem sie sich gerade mit dem Skalpell bewegen, sind Entscheidungshilfen während des Eingriffs. Das kann, so Schmalstieg, bis zu einem Fadenkreuz führen, das den Punkt für das richtige Bohrloch bei komplizierten Kieferoperationen angibt. In größeren Spitälern werde die Technologie für diese Zwecke schon getestet.

Anwendungsmöglichkeiten für Augmented Reality scheint es also viele zu geben. Die Herausforderung liege nun eher darin, die Technologie zu verfeinern, sagt Schmalstieg. "Wie erklärt man zum Beispiel dem System, was es mir als Brillenträger nun tatsächlich zeigen muss?" An der idealtypischen Umsetzung dieses Selektionsauftrages wird derzeit noch gearbeitet. Würde ein Arbeiter nämlich vor einer Maschine alle Informationen erhalten, die das System gespeichert hat (und nicht nur Details), dann wäre er mit Sicherheit überfordert und könnte keinen Nutzen aus Augmented Reality ziehen. Andererseits müsse er auch die Möglichkeit haben, aus allen verfügbaren Informationen auszuwählen und dürfe nicht beschränkt werden.

Verlangsamung

Auf ein anderes Problem weist Verena Giller, Usability-Forscherin und Geschäftsführerin des Wiener Kompetenzzentrums Cure, hin: Der "Augen-Verfolger" (Eye Tracking) funktioniere derzeit nur zeitverzögert. Würde also der Benutzer einer derartigen Datenbrille von einem Punkt A zum Punkt B schauen, hätte er noch immer - zumindest kurzfristig - die Informationen über A am Brillenglas. Wodurch seine Konzentration beeinträchtigt wäre.

Es werde also noch eine Zeit dauern bis zur serienmäßigen industriellen Herstellung, meint Giller. Dazu sei die Technologie derzeit noch nicht ausgereift genug und auch zu teuer - und ihr Nutzen werde noch nicht überall erkannt. "Man muss Geld in die Hand nehmen, um eine Technologie weiterzuentwickeln und sie letztlich auf den Markt zu bringen." Tests würden vor allem beim Militär und im Sicherheitsbereich (Polizei, Feuerwehr) laufen. Feuerwehrleute könnten, so Giller, über Augmented-Reality-Brillen Hinweise über die Lage der Räume, in die sie gehen müssen, erhalten - und so auch mögliche Opfer schneller bergen. Nur hat ein Mobile Augmented Reality System (MARS) wieder Nachteile - beim derzeitigen Stand der Technik: Das Equipment, das ein User mit sich schleppen müsste, um Daten empfangen zu können, hätte etwa zwölf Kilo.

Was die Technologie auch im Moment für Touristeninformationen und Stadtspaziergänge ungeeignet macht. Ist sie aber einmal ausgereift, dann wird dem Urlauber ein Personal Digital Assistant (PDA) mitgegeben. Er hat dann auch nicht mehr dicke Datenempfänger auf der Nase, sondern schmale, die bei einmaligem Betrachten auch als schicke Sonnenbrillen durchgehen könnten. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23 .6. 2003)