Grafik: DFB
Grafik: www.11designer.de

Das offizielle Logo platzt aus allen Lachnähten (oben). Hätten Alternativentwürfe der "Elf Designer für Deutschland", etwa von Fons Hickmann m23 (ganz unten) oder von Factor Design, eine Chance?

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Robert Haidinger

Schwere Zeiten hat dieser Tage der Deutsche Fußballbund durchzustehen. Da wäre erstens einmal der drohende Verlust des Schweißflecks unter den neuen Trikotärmeln der deutschen Nationalmannschaft zu beklagen, ein naturnahes Signet, das als kreisrunder Leistungsnachweis fürs kämpferisch-fußballerische Bemühen deutscher Kicker ja stets über jeden Zweifel erhaben war. Der DFB führte im Rahmen eines Relaunches der schwarz-weißen Nationaldressen ein "Dynamic Layering Concept" ein, zu Deutsch eine Verdichtung von kleinen Löchern im Achselbereich der Trikots. Sie drohen nun "ultimative Feuchtigkeitsregulierung" und also schweißfreie Eleganz an, wo doch der Mythos vom unermüdlichen Schwerstarbeiter einen seit Jahrzehnten etablierten Baustein der nationalen Fußballer-Corporate-Identity darstellt.

Mag sich diese Veränderung erst allmählich ins Bewusstsein der Fans schleichen, so schlug der zweite Reformakt des DFB ein wie eine Bombe. Dabei begann alles mit einem harmlosen Lächeln. Oder, wenn man genauer auf das wenige Monate später präsentierte Logo der in Deutschland stattfindenden Fußball-WM 2006 blickt, mit einem angsterfüllten Grinsen. Wie das Resopalfurnier der Stammtische legt sich die hier zur Schau gestellte Mimik der drei Logo-Gesichtchen über die wahren Befindlichkeit, zitiert dabei jene lachende Hysterie des Vertuschens, die Derrick-Mörder freitagabends mitunter auf den Bildschirm zaubern.

Hauptverdächtiger rund um das im Stil der Wirtschaftshochblüte der 70er Jahre zu Tage getragene Verdrängungslachen: Andreas Abold, Chef einer Münchner Marketingagentur, der dieses Zeichen in Zusammenarbeit mit der Londoner Agentur Whitestone entwickelte - ohne Ausschreibung und Wettbewerb, aber gegen einen sechsstelligen Eurobetrag.

Von "Freude, Heiterkeit und Emotion", wie der DFB es dem Logo unterstellte, war in der Folge nicht viel zu sehen. Dass Grafikdesigner wie etwa Otl Aicher - ebenfalls in den 70er-Jahren, anlässlich der Olympischen Spiele in München - mit berühmt gewordenen Piktogrammen und Logos den Markenauftritt von Sportgroßereignissen beispielhaft mitgetragen hatten, sensibilisierte wohl auch zur Kritik. Die Smileys gefielen zwar Franz Beckenbauer, sorgten ansonsten aber eher für einen vielstimmigen Aufschrei - vom "Kindergartenlogo" bis zum "albernsten Signet aller Zeiten" kommentierten Süddeutsche Zeitung und andere das Emblem. Spiegel-Online rief seine Leser zu einem Kreativwettbewerb auf. Dass Zwangsheiterkeit fester Bestandteil der Marke Deutschland sein soll, provozierte professionelle Grafiker zu Übertreibungen: Synchronschunkeln- und 200-Meter-Frohsinn-Piktogramme kursieren seither als Kreativbeiträge und als Vorschläge für mögliche olympische Disziplinen.

Zur Gegenoffensive schritten "Die Elf Designer für Deutschland". Dahinter verbergen sich Entwürfe, die der Komplexität und dem emotionalen Potenzial des Weltledertretens gerechter werden: Vom Heiligen Ball im Mittelpunkt der Welt, der die Bedeutung der Ersatzreligion ikonografisch thematisiert, bis zum Netzhautkitzeln realistisch abgebildeter Grashalme werden die Bezüge ausgelotet. Selbst das formale Vokabular heutiger Fun-Events wie der Love-Parade wird von den damit befassten Grafikdesignern sicherheitshalber auf den Stellvertreterkrieg umgelegt: ein Herz, ein Ball, eine Seele für 2006. (DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.6.2003)