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Frösche und Erdkröten haben Nacktschnecken zum Fressen gern. Der smarte Gartler weiß der Schädlinge aber auch anders habhaft zu werden.

Foto: APA/Boris Roessler

Welch Schwachsinn hat mich ereilt, als sich der Gedanke eines Gemüsebeets in meinem Kopf festgesetzt hat. Es gab noch unbeackertes Land, und es gab die vorjährliche Erfahrung, wie befriedigend Anbau und Ernte essbarer Pflanzen doch sind. Zusätzlich stehen in den meisten Gärtnereien jede Menge Salat in kleinsten Anzuchtküberln herum, schnell ist so ein Zwölfer-Set mitgenommen.

Das war der Anfang. Mittlerweile haben Artischocken, Brokkoli, Pak Choi, diverse Blattsalate, Paradeiser, Zucchini, Gurken, Kohlrabi und so weiter den Boden zwischen Nord- und Südgarten besetzt. Dass all diese gewöhnlich scheinenden Gemüse natürlich irgendwelche Nachzuchtraritäten sind, ist müßig zu erwähnen. Alle freuen sich nun auf das frische Gemüse, speziell die kleinen Schleimer, die Nacktschnecken.

Ein halber Meter veltlinertrockenes Substrat

Aber damit diese nicht einmal daran schnuppern können, versperrt ihnen ein breiter, trockener Erdstreifen, der täglich aufgekramperlt wird, die Rutschpartie hin zum Futternapf. Quarzsand soll das Hinrutschen auf der endogenen Schleimschicht ebenso verhindern. Schnecken sind nicht blöd. Sie können ganz gut die Trockenheit eines Substrats abschätzen und kalkulieren, ob ihr Schleim auch für den Rückweg reicht. Daher ist ein halber Meter veltlinertrockenes Substrat eine ganz gute Hürde. Wenn es denn trocken bliebe. Anhaltender Regen und Morgentau sorgen jedoch dafür, dass die Methode nicht ganz aufgeht, und so sieht man den besorgten Gemüsebauer abendlich und morgendlich auf Patrouille, bewaffnet mit einer langen und spitzen Pinzette.

Wäre der Gemüsebauer ein smartes Kerlchen, so würde er sich aus der Natur Unterstützung holen und ein paar Erdkröten um Besiedelung des Gartens bitten. Denn Kröten verspeisen ganz gerne den Nacktschneck. Kröten und Frösche sind ja faszinierende Geschöpfe. Ihnen kann man kein X für ein U vormachen, denn sie sehen nur, was ihnen auch weiterhilft. Als beliebtes Schulbeispiel für selektive Wahrnehmung kann man an ihnen zeigen, dass es schon ein gewisses Zusammenspiel an Reizen braucht, bis eine Kröte ihre Zunge in Richtung Futter schleudert. Eine Fliege zum Beispiel muss sich bewegen und dunkel vor weißem Hintergrund sein, sonst bleibt der amphibische Lecklappen da, wo er ist. Was diesen Kriterien nicht entspricht, wird nicht als Futter erkannt.

Fressreflex

Den Fressreflex lösen aber auch längliche, horizontale Strukturen aus. Würmer und Schnecken werden so erkannt und gefressen. Wenn Sie also demnächst Nacktschnecken aufrecht und auf Zehenspitzen durch den Garten tippeln sehen: Das sind nur Schnecken, unter denen sich die Lust der Kröten auf horizontale Länglichkeit herumgesprochen hat. Das nennt man dann Evolution.

Langes Vorspiel, kurze Klimax: Seit der Gemüsegärtner täglich mehrmals das Salatbeet auf silbrige Schleimspuren und horizontale, längliche Gebilde kontrolliert, nimmt er links und rechts davon nichts mehr wahr. Stoisch-gierig untersucht er das Beet, rastert mit unruhigem Blick die aufgekramperlte Erde ab, dreht Steinplatten um und spürt, wie ihm die Zunge am Gaumen anschwillt, wenn er eine Nacktschnecke entdeckt. Letztendlich ist es deren Glanz, auf welchen der Gärtner langsam konditioniert wurde, und er weiß nun, dass ausgelegte Bretter, Kübelunterseiten und Schrittsteine bevorzugte Tagesrastplätze der mit Raspelzungen bewährten Mollusken sind. Die Erdkröten haben ausgedient. Quak! (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 1.6.2012)