Jahrelang schien es in der SPÖ offiziell niemand zu stören, dass eine zunehmende Zahl von Menschen mit Lebensmittelpunkt in Österreich von jeder Möglichkeit ausgeschlossen ist, jemals Österreicher zu werden. Auch die nach der Staatsbürgerschaftsnovelle 2005 in den Keller gerasselten Einbürgerungszahlen blieben unkommentiert: eine nicht unproblematische Kritiklosigkeit für eine Partei, die laut Wahlstatistiken bei frisch Eingebürgerten relativ hohe Zustimmung genießt.

Nun scheint die Absurdität der gesetzlichen Neoösterreicher-Verhinderung auch den roten Granden klargeworden zu sein - zumindest in den allerkrassesten Fällen. Mit der Forderung, den Ermessensspielraum für Einbürgerungen von Personen zu erweitern, die ohne eigene Schuld den verlangten Kriterien nicht entsprechen, bröckelt erstmals das Schweigegebot, das sich die in Koalition mit der ÖVP befindliche Kanzlerpartei in Ausländerfragen bisher auferlegt hatte.

Die Gefahr jedoch, dass dieser leise Aufbruch rasch an einem Njet der ÖVP endet, ist groß. Daher sei hier auf ein Paradox der österreichischen Einbürgerungshärte hingewiesen. Nämlich dass die Härte - entgegen der Behauptung, zu verhindern, dass sich Ausländer an Sozialtöpfe machen - dem Staat keinen Cent erspart: in Zeiten, wo niedergelassene Drittstaatenangehörige aufgrund von EU-Vorgaben bei Sozialleistungen Hiesigen fast gleichgestellt sind. (Irene Brickner, DER STANDARD, 1.6.2012)