Wien - Homosexualität ist ein Thema, das wohl eher selten in einer der zahlreichen Fußballkabinen angesprochen wird. Zu groß scheint die Angst, von den eigenen Teammitgliedern nicht mehr akzeptiert  oder von Fans mit Schmährufen getroffen zu werden. Der deutsche Teamspieler Philipp Lahm riet homosexuellen Kickern schon im Jänner dieses Jahres, ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich zu machen. Das Publikum im Stadion sei noch nicht bereit dazu, schwule Spieler zu tolerieren. Der österreichische Teamchef Marcel Koller schloss sich dieser Meinung im Chat von derStandard.at an. 

Eine neue britische Studie widerspricht nun diesem Vorbehalt. Die Staffordshire University befragte mithilfe eines anonymen Online-Fragebogens 3.500 weibliche und männliche Fußball-Fans, ob sie ein Problem damit hätten, wenn ein Spieler offen zu seiner Homosexualität stehen würde. Von den Befragten verneinten 93 Prozent. Sie würden den Fußballer genauso anfeuern wie die anderen zehn - am Feld zähle nur seine Leistung. 83 Prozent der Befragten waren Männer, wovon mehr als die Hälfte zwischen 17 und 30 Jahre alt waren. Um neben der die anderen Fußball-Ligen nicht aus der Studie auszuschließen, wurden Fans aus 35 verschiedenen Ländern befragt. 

Kultur der Geheimhaltung

Laut Studiengangleiter Professor Ellis Cashmore ist die derzeitige Annahme, dass homosexuelle Spieler nicht akzeptiert sind, hauptsächlich auf die Fußballclubs und Agenten zurückzuführen. Diese leben, so Cashmore, eine Kultur der Geheimhaltung. Viele Spieler würden deshalb aus Angst, dass sie von anderen Vereinen kein Engagement mehr erhalten würden, ihre Homosexualität geheim halten.

In der britischen Premier League gab es bisher nur einen Spieler, der sich in der Öffentlichkeit als schwul deklarierte. Justin Fashanu, der für Vereine wie Norwich City oder Manchester City Tore erzielte, gab 1990 der Presse gegenüber zu, dass er schwul sei. Das britische Boulevard-Magazin "The Sun" titelte daraufhin mit einem Bild von Fashanu "I am gay!". Die Presse dürfte an ihm Gefallen gefunden zu haben, denn in den darauffolgenden Monaten wurde anstatt seiner sportlichen Leistung immer wieder seine Homosexualität thematisiert.

Im Jahr 1998 behauptete ein 17-Jähriger, dass er von Fashanu vergewaltigt wurde. Daraufhin tauchte der Fußballer unter und erhängte sich. In seiner Abschiedsnotiz schrieb er, dass es nicht einfach sei, als eine Person der Öffentlichkeit schwul zu sein. Ellis Cashmore schließt seine Studie mit den Worten ab, dass mehrheitlich davon ausgegangen wird, dass die Fans gegenüber homosexuellen Spielern feindlich eingestellt sind. Mit den Erkenntnissen sei nun bewiesen, dass die Fans auch schwule Spieler anfeuern würden. Die allgemeine Annahme, dass Homophobie in der Fan-Kultur einen festen Platz hat, sei laut Cashmore schlichtweg falsch. (Daniel Koller, derStandard.at; 1.6.2012)