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Die Reclam-Universalbibliothek hat einen behutsamen, dabei gründlichen Facelift erfahren.

Foto: AP/Michael Probst

Sogar fünf oder mehr von ihnen sind noch kleiner und leichter als ein Tablet PC, unempfindlich gegen Sand und Spritzwasser, bestens lesbar und im Vergleich zu einem elektronischen Reader spottbillig. Und mehr als fünf Bücher würden Sie sowieso kaum in den Urlaub mitnehmen.

Neu sind sie allerdings nicht, nur runderneuert. Die Reclam-Universalbibliothek hat einen behutsamen, dabei gründlichen Facelift erfahren. Das passt zu einem Verlag, der selten wegen Extravaganzen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit dringt, dafür umso stärker als Zugang zu Klassikern der Literatur präsent ist, zu Arbeitstexten, zweisprachigen Editionen, seit einiger Zeit auch zu Sachbüchern und Dokumenten. Rechteckig, praktisch, gelb: vom Schmierer in der Schule bis zum genauso wohlfeilen Angebot im Antiquariat.

Anton Philipp Reclam gründete seinen Verlag vor fast 200 Jahren in Leipzig. Er war damals mit der aufmüpfigen Bewegung des Vormärz verbunden, worauf der Vertrieb der Bücher 1846 in Österreich-Ungarn verboten wurde. Das soll dazu beigetragen haben, dass sich die Reclams weniger auf Politik und mehr auf Unternehmenserfolg konzentrierten. Jedenfalls war die Universalbibliothek (ab 1867) ein Schritt in diese Richtung. Von den ersten beiden Nummern der Reihe, " Faust I und II", verkaufte der Verlag innerhalb eines knappen Jahres sensationelle 20.000 Exemplare. (Mittlerweile hält Schillers "Wilhelm Tell", der Bestseller des Hauses, bei 5,4 Millionen.)

Die Ausstattung war bescheidenst, das Cover einheitlich gartenlaubig, über fünf Jahrzehnte gleichbleibend und daher bestens wiedererkennbar: Branding, lange bevor es das Wort gab. Auch danach wurde das Erscheinungsbild nur wenige Male verändert: reduziert, entschmückt, typografisch auf den Stand der Dinge gebracht. Die weithin sichtbarste Anpassung war 1969 die Umstellung der Cover-Farbe der Hauptreihe von Beige auf Gelb.

In den letzten zwei Jahren arbeiteten Friedrich Forssmann, mehrfach ausgezeichneter Grafiker und Typograf, und seine Frau Cornelia Feyll, ebenfalls anerkannt als Textildesignerin, am neuesten Aussehen der Reclam-Reihe: die Farben etwas kräftiger (neben dem Gelb der Klassiker treten die Zweisprachigen in Orange auf, die fremdsprachigen Originale rot, Arbeitstexte blau, Sekundärliteratur grün und - neu! - Sachbücher in leuchtendem Magenta); die Texte innen wie außen nun in Documenta, einer eleganten Serifen-Schrift.

Und: "Haupttitel und Überschriften stehen linksbündig", wie Forssmann anmerkt. Scheinbar nur eine Kleinigkeit. Doch sie gibt den Covers und dem Innenleben der Reihe jene unprätentiöse Modernität, die die edition suhrkamp einmal gehabt hat und die ihr jetzt, im Zuge der restaurativen Veränderungen im Verlag, abhandengekommen ist. In der Visitenkarte jedes Bändchens lebt der Geist der Ulmer Hochschule fort, Otl Aicher lässt grüßen, die helvetisch-alemannische Nüchternheit tut der Reihe gut.

Über die Gestaltung und vieles mehr informiert ein 96-seitiges Buch, natürlich im Reclam-Format: "Die Welt in Gelb" (Bestellnummer 902012, Schutzgebühr 1 Euro). Forssmann kommt zu Wort, Covers aus zwei Jahrhunderten werden gezeigt und - ein vergnügliches Kapitel - die Verwendung der Universalbibliothek "zwischen Kunst, Kult und Kommerz", von Bekritzelungen in Schulstunden bis zur Requisite im Theater: Es regnet gelbe Heftln. (Michael Freund, Rondo, DER STANDARD, 1.6.2012)