Überzeugend: Bernd Trasberger in "Riptide" ...

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... und Steffi Alte (vorne) und Frauke Dannert (hinten) in "Afterimage".

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Wien - Ein Fliesenraster, weiß und klinisch wie in der Pathologie. Die Rasterung von Boden und Wänden, mit der Künstler Bernd Trasberger (geboren 1974) den Amsterdamer Raum W139 überzogen hat, war zwar nur aufgemalt; den vermessenden, konstruierenden und reglementierenden Charakter des Koordinatensystems schmälerte diese Tatsache allerdings nicht.

Diese sterile Raumwirkung lenkt die Lesart von Trasbergers Arbeiten sehr: Denn bei seinem Interesse für die Stadt der Moderne und deren architektonische Strukturen schwingt auch Kritik an Monotonie und Uniformität mit. So wirken seine ästhetisch ansprechenden Objekten manchmal gar wie Mahnmale überholter architektonischer Ideen. Objets trouvés: aus der Moderne herausgelöste Fragmente, die aufgrund ästhetischer Paradigmenwechsel ausgemustert wurden.

Die Arbeit Hertie (2009) etwa, die Trasberger in Amsterdam in ihrer gigantischen Komplettheit (112 Elemente) vor erwähntem geometrischem Hintergrund präsentierte und die sich nun in der Gruppenausstellung Riptide in der Wiener Galerie Kerstin Engholm - 15-teilig und vor neutralem Weiß gehängt - geradezu harmlos ausmacht. Die Keramikbausteine sind Relikte aus der Ornamentfassade des Kaufhauses Hertie, die einst die Identität der Warenhauskette prägten: Zerbrochene Elemente ersetzt er durch Messingelemente - gefüllte Leerstellen, die an den Zustand des Von-der-Zeit-überholt-Seins erinnern.

Dieses Überführen urbaner Elemente und modernistischer Formensprache in Objekte mit funktionaler Anmutung für den Innenraum lässt sich in der von Künstler Alex Lawler kuratierten Ausstellung mehrfach ablesen: Der poröse Stein Travertin, ein beliebter Baustoff der Antike wie der Moderne, wird bei Sebastian Freytag zum flachen Ornament. Das Zurückfließen solcher Tendenzen in die Kunst der Gegenwart fasst Lawler unter dem Titel Riptide zusammen - ein umgangssprachliches Wort für zurückströmendes Meerwasser. In der Anhäufung solch formaler Reflexionen entsteht das wohlige Ambiente eines Wohninterieurs.

Ein Charakter, der auch einer zweiten von Lawler kuratierten Schau anhaftet. Afterimage in der Kunsthalle Exnergasse vereint, ansprechend verpackt, ernste Reflexionen, aber auch eher spielerische Fingerübungen zur Abstraktion: von Alexandra Navratils abfotografierten Lackteststreifen über das in Kunst überführte Familienleinen Frank Altmanns bis zu den Bettgestellen Steffi Altes.   (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 31.5.2012)