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Dennis Meadows vom Club of Rome bezeichnet sich als "Grünen im philosophischen Sinne, nicht im bürokratischen". Er fordert ein komplett neues Verständnis der globalen Zusammenhänge.

Foto: AP/Koji Sasahara

Mit dieser Grafik wurden 1972 die "Grenzen des Wachstums" aufgezeigt. Auffallend: Der Anstieg der Bevölkerung (population) und Umweltverschmutzung (pollution) bei stetig sinkenden Ressourcen (resources).

Grafik: Dennis Meadows

So hätten sich die Forscher damals eine stabile Entwicklung gewünscht. Durchgesetzt hat sich allerdings die Grafik oberhalb.

Grafik: Dennis Meadows

Der Globale Ökologische Fußabdruck lag 1972 bei 0,85 dessen, was ein Planet aushält. Heute liegt er bei 1,5.

Grafik: Dennis Meadows

Dass in Österreich zunehmend ein typisch norditalienisches Klima zu erwarten ist, lässt sich auch anhand der Tage über 30 Grad im ersten Wiener Bezirk ablesen.

Grafik: Dennis Meadows

Er beginnt mit einem Experiment: "Arme verschränken. Welches Handgelenk ist oben?" Und dann noch einmal: "Welches ist jetzt oben?" Ob jemand einmal den rechten Arm und einmal den linken oder zweimal den gleichen oben gehalten hat, ist Dennis Meadows nicht so wichtig. Der Weltbestseller-Autor will auf drei Punkte hinaus: "Veränderung ist möglich. Man muss darüber nachdenken. Und sie ist nicht so komfortabel." Womit er mitten in seiner Rede "Changing the Concept of 'Sustainable Development' to be Useful in the 21st Century" angekommen ist.

Dass der Titel sperrig ist, weiß der am 7. Juni 70-Jährige ganz genau: "Nachhaltige Entwicklung ist ja ein Oxymoron, also ein Widerspruch in sich, und deshalb Nonsens. Es gibt 100 Definitionen dafür, aber keine Bedeutung", so Meadows im Architekturzentrum Wien (Az W), wo er auf Einladung der Grünen referiert. Man müsse vielmehr ein komplett neues Verständnis für die globalen Zusammenhänge schaffen. Denn die Rahmenbedingungen hätten sich, seit er 1972 mit seiner Ehefrau Donella und zwei weiteren Autoren mit dem Buch "The Limits to Growth" erstmals auf "Die Grenzen des Wachstums" hingewiesen hat, dramatisch verschärft. 

"40 Jahre habe ich versagt"

Meadows illustriert sein Argument mit zwei Kurven (siehe Grafiken links). Die obere zeigt jene Entwicklung, die aufgrund der Daten vorhergesagt wurde. Die zweite, wie man sich 1972 das Modell einer stabilen Entwicklung der Welt vorstellte. Leider habe sich gerade bei der Umweltverschmutzung ("pollution"), bei der Bevölkerungsentwicklung ("population") und beim Ressourcenverschleiß ("resources") der negative Trend durchgesetzt. "Ich habe 40 Jahre versucht, auf diese Entwicklungen hinzuweisen, dennoch hat sich nichts geändert - ich habe also versagt", so Meadows.

Doch das Mitglied des renommierten Club of Rome will keinesfalls müde werden, auf die globalen Probleme hinzuweisen, auch wenn er für die kommenden Jahre eine noch größere Krise als die momentane erwartet. "Es sind gefährliche Zeiten für alle von uns - in den USA noch viel mehr als hier in Europa. Wir bewegen uns auf ein Zeitalter des Chaos zu." Denn die Umwälzungen würden nicht erst stattfinden, wenn der Höhenpunkt ("peak") überschritten sei, sondern bereits dann, wenn das Wachstum dem Ende zugehe.

So habe etwa der Bereich "Essen pro Kopf" ("food per capita") bereits vor zehn Jahren aufgehört zu wachsen und werde nun kontinuierlich zurückgehen. Vermehrte Hungerkrisen in den vergangenen Jahren würden diesen Trend bestätigen.

Auch Österreich im großen Wandel

Für Meadows befinden wir uns gerade in der Frühphase eines Umbruchs, durch den der Druck immer höher werde, "jene enormen politischen, demographischen und wirtschaftlichen Kräfte zu neutralisieren, die nun das Wachstum ermöglichen. Auch Österreich wird sich in den nächsten 20 Jahren mehr verändern als in den vergangenen 100 Jahren."

Um das zu verdeutlichen greift der US-Wissenschaftler auf die Entwicklungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. "Damals herrschten in den meisten großen Ländern Monarchien: China, Japan, Russland, Deutschland, England, Österreich etc. Aber innerhalb von 20 Jahren waren fast alle ausgetauscht." Das gleiche müsse nun mit dem Wachstums-Dogma passieren, das die internationale Politik noch immer als unabänderlich vorantrage.

Prinzip Wachstum hat ausgedient

Wie sehr diese Denkweise aber in den Gehirnen vieler Politiker und Ökonomen verankert sei, zeigt Meadows anhand eines Berichts aus der "New York Times". Erst vor wenigen Tagen hätten sich Deutschland und Frankreich auf höchster Ebene verständigt und als einzigen Ausweg aus der Krise Möglichkeiten für Prowachstums-Initiativen betrachtet. Ein Irrweg, wie Meadows mit einem US-Sprichwort kommentiert: "Wenn man als einziges Werkzeug einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus."

Generell sei auch die Definition von "nachhaltiger Entwicklung", wie sie heute noch immer verwendet werde, zu verwerfen: "Dass die Reichen gleich reich bleiben oder reicher werden. Dass die Armen auf das Niveau der Reichen herangebracht werden. Und dass dies mit dem gleichen System aus Politik und Markt wie jetzt erreicht wird: Nämlich durch technologische Entwicklungen, die das BIP-Wachstum vom Verbrauch von Energie und Materialien entkoppeln." Das alles sei nur Politiker-Sprech.

Fußabdruck viel zu groß

Dass diese Definition von Nachhaltigkeit längst nicht mehr zeitgemäß sei, lasse sich etwa an der Entwicklung des Globalen Ökologischen Fußabdrucks ablesen. Lag die Ausschöpfung 1972 noch bei rund 85 Prozent dessen, was unser Planet aushält, so sind wir mittlerweile bei 150 Prozent angekommen. Tendenz weiter steigend (siehe Grafik links).

"Wenn mich wer fragt, wie man nachhaltig sein kann, dann fällt mir nur ein: 'Energiesparen, Öffentlichen Verkehr nutzen, weniger CO2-Ausstoß und geringerer Chemikalieneinsatz in der Landwirtschaft.'" Aber vielmehr gehe es um eine neue Begrifflichkeit, denn Meadows verweist auch in diesem Vortrag einmal mehr darauf, statt Nachhaltigkeit den Begriff Widerstandsfähigkeit zu verwenden (siehe auch Interview aus dem vergangenen Herbst).

Wie diese Widerstandsfähigkeit in die Praxis umgesetzt werden könne: "Mit alternativen Währungssystemen, mit besseren Finanzindikatoren, mit einer gleichberechtigten Vergabe von Immobilienkrediten, mit verbesserter Energieeffizienz, mit neuen Massentransportmöglichkeiten, mit dem Bau von größeren Gas-Tanks und größeren Nahrungsmittelspeichern, mit der Förderung von Holzöfen und Märkten für regionale Lebensmittel usw."

Worum es wirklich geht

Wohin man den Fokus im 21. Jahrhundert besonders legen müsse, seien vor allem zwei Punkte, so Meadows: "Erstens globaler Klimawandel - der kommt sicher, wir können ihn nur verlangsamen. Und zweitens Energierückgang. So wurde etwas seit 1984 jährlich mehr Öl verbraucht, als neue Ölressourcen entdeckt wurden."

Als Beispiel dient auch wieder Österreich, das sich ebenfalls auf eine Klimaveränderung einstellen müsse. "Es wird so sein, wie es momentan typisch für Norditalien ist - lange, heiße und trockene Sommer mit heftigen Regenschauern." Auch dafür hat Meadows eine Grafik parat: In Wiens erstem Bezirk habe es zwischen 1961 und 1990 einen Median von 8,4 Tagen über 30 Grad gegeben. Für den Zeitraum 1976 bis 2005 ist dieser Wert bereits auf 13,4 Tage gestiegen. In den Jahren 2010 bis 2039 sollen es schon 20,7 Tage sein.

Handeln statt reden

Trotz all dieser beängstigenden Faktoren hat der vielfach preisgekrönte Wissenschaftler die Hoffnung nicht ganz aufgegeben: "Wir müssen nur unsere Denkweise radikal ändern." Daher spart  Meadows aus seiner Kritik auch nicht den Klimagipfel "Rio+20" vom 20. bis 22. Juni in Rio de Janeiro aus: "60.000 Menschen fliegen nach Brasilien, um über die Zukunft zu diskutieren. Diese Idee muss man aufgeben, das ist reine Fantasie." Denn - und das gelte auch für sein Referat: "Handlungen sind viel wichtiger als Worte." (Martin Obermayr, derStandard.at, 31.5.2012)