Stellen Sie sich ein Fußballspiel vor, in dem ein Spieler einen Hattrick erzielt und jedes Mal aus der gleichen Position nach den gleichen Abwehrfehlern trifft. So etwa lässt sich der Verlauf der ägyptischen Präsidentschaftswahlen aus der Sicht der Revolutionäre beschreiben.

Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Kandidat der Muslimbrüder, Mohamed Morsi, in der Stichwahl gegen Mubaraks alten Premierminister Ahmed Schafik antreten wird. Doch die Muslimbrüder haben viel von ihrer revolutionären Aura verloren. Ihr politischer Pragmatismus wird von vielen kritisiert, vor allem aufgrund des Schweigens der Muslimbrüder zur Politik des Militärrates während der vergangenen 16 Monate. Die Weigerung der Bewegung, einer Parlamentsreform zuzustimmen (kurz nachdem sie mit 47 Prozent der Sitze als klarer Sieger aus den Parlamentswahlen hervorgegangen waren) und ihre Dominanz über die Arbeit des Verfassungskonvents haben die Muslimbrüder ebenfalls Stimmen gekostet.

Die Revolution ist noch nicht am Ende

Schafik ist ein Vertreter der alten Eliten, der unter Mubarak zehn Jahre lang Minister für zivile Luftfahrt war und während der Revolution zum Premierminister ernannt wurde. Er trat einen Monat nach Mubarak aufgrund von Protesten zurück. Der Erfolg von Morsi und Schafik ist also kein Signal des Aufbruchs. Trotzdem ist die Revolution nicht am Ende - und wir könnten auch weiterhin Hoffnung haben, wenn die Revolutionäre nur etwas intelligenter vorgehen würden. Drei Einsichten dazu:

Das Ego der Revolutionskandidaten

Erstens: Morsi und Schafik haben zwar jeweils fünf Millionen Stimmen bekommen, aber der Nassirist Hamdin Sabahi und der moderate Islamist Abdel Moneim Abul Fotuh (ein Ex-Mitglied der Muslimbrüder) haben zusammen neun Millionen Stimmen erhalten. Beide gelten als revolutionäre Politiker und wurden aufgefordert, als Tandem zu kandidieren (einer wäre als Präsident angetreten, der andere als Vize). Mit dieser Strategie hätte es ein revolutionärer Kandidat in die Stichwahl geschafft - doch der Vorschlag ist am Ego der beiden gescheitert.

Schon seit dem Verfassungsreferendum und den Parlamentswahlen ist es ein Problem der Revolutionäre, dass sich nicht mit einer Stimme sprechen und sich kaum untereinander koordinieren. Referendum und Wahlen waren bereits zwei Gegentore, mit der Präsidentschaftswahl kommt jetzt das dritte hinzu. Verändert hat sich die Strategie jedoch immer noch nicht.

Unzufriedenheit mit den Muslimbrüdern

Zweitens: Die Popularität der Muslimbrüder nimmt ab. In den vier Monaten seit den Parlamentswahlen hat sich die Anzahl der Stimmen halbiert, von zehn Millionen auf fünf Millionen. Ich habe in Qena und Luxor mit Wählern gesprochen, die unzufrieden waren mit der Politik der Muslimbrüder im Parlament und kritisierten, dass es keinen Unterschied zwischen den Islamisten und Mubaraks alter Partei gäbe. Die Versuche von Mohamed Morsi, eine Koalition gegen Schafik zu schmieden, sind dabei sehr entlarvend: Die Muslimbrüder haben Angst, dass Schafik zum Präsidenten gewählt werden könnte und dass eine der vielen Klagen gegen die verfassungsmäßige Legitimität des Parlaments Erfolg haben könnte. Am Ende ständen die Muslimbrüder dann mit leeren Händen da.

Die Revolution ist weiterhin attraktiv

Drittens: Die Revolution hat gewonnen. Die Summe der Stimmen für Abul Fotuh und Sabahi zeigt, dass die Ideen der Revolution für Wähler attraktiv sind. Wenn man die fünf Millionen Stimmen für Mohamed Morsi dazurechnet, ergibt sich eine große Mehrheit gegen das alte Regime. Es ist nicht der Fehler der Ägypter, dass die revolutionären Parteien zerstritten sind. Und es ist auch nicht ihr Fehler, dass die Muslimbrüder nicht zum eigenen Wort stehen. Anstatt wie angekündigt einen Kandidaten der Revolution zu unterstützen, haben sie mit Morsi einen eigenen Kandidaten nominiert - und viele Wähler damit in die Arme von Ahmed Schafik getrieben.

Die Frage heute ist daher: Kann die Revolution es schaffen, die nächsten Spiele endlich zu gewinnen? (Mai Shams El-Din, derStandard.at, 30.5.2012 Übersetzung aus dem Englischen)