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Frauen sind überall in der Stadt. Auf Straßenschildern jedoch sind sie mehr als unterrepräsentiert.

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Vorschläge von Frauen für die Umbenennung des Lueger-Rings gab es viele: Johanna-Dohnal-Ring war einer davon.

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"Wasch mich, aber mach mich nicht nass" ist jene österreichische Mentalität, die der Künstlerin Marianne Maderna ein Dorn im Auge ist. Offenkundig werde diese bei der Umbenennung des Wiener Karl-Lueger-Rings. Maderna zufolge soll der Ringabschnitt nicht als Universitätsring bezeichnet werden, sondern Bertha von Suttner soll die Namensgeberin für die repräsentative Ringstraße sein. Dem Vorläufer und Wegbereiter der Naziherrschaft, so bezeichnete ihn Adolf Hitler, könnte so eine Pazifistin folgen. "Sie ist ein wunderbares Pendant zu Lueger. Der Frieden war für sie etwas ganz Normales, der selbstverständliche Zustand", erklärt Maderna und spielt auf von Suttners 1889 veröffentlichten Roman "Die Waffen nieder!" an. Darin beschrieb die Friedenskämpferin den Frieden als naturrechtlichen Normalzustand, dem der Krieg als "Irrwahn" gegenübersteht.

"Ich frage mich, warum der Ring jetzt Universitätsring heißen soll, da doch gerade die Universität Minderheiten diskriminierend behandelt und vom Studium ausgeschlossen hat. Heute noch geben sich jene Männer, die Minderheiten ausgeschlossen haben, im Arkadenhof ein Stelldichein", erklärt Maderna und meint damit unter anderem den "Siegfriedskopf". KritikerInnen dieser Büste, die immer wieder Grund für Auseinandersetzungen ist, sehen darin ein Symbol für rechtes und rechtsextremes Gedankengut an den Universitäten.

Werbung von und für Männer

In Österreich, ist sich die bildende Künstlerin sicher, werde die nationalsozialistische Geschichte nach wie vor zu sehr verschwiegen, dabei spiele der öffentliche Raum eine wesentliche Rolle. Als kollektive Erinnerungsfläche spiegle er nur die von Männern geschriebene Geschichte wider, die Frauen und ihre Leistungen ignoriere und gleichzeitig an Männlichkeit messe. "Für nichts wird so viel Reklame gemacht wie für Männer. Unentwegt erinnern sie an sich selbst: auf Geldscheinen, Briefmarken und Gedenkmünzen, mit Bronzebüsten und Straßenschildern, in Lexika und Zitatensammlungen", formuliert es die feministische Linguistin Luise Pusch.

Dass der Lueger-Ring nicht nach einer Frau benannt wurde, bedauert auch die grüne Gemeinderätin Martina Wurzer: "Das ist eine absolut verpasste Chance. Über das Bedauern kann es leider nicht hinausgehen, weil wir nicht gefragt wurden." Dabei, so Wurzer, setzen sich die Grünen Frauen seit Jahren dafür ein, dass bei Straßenum- und -neubenennungen Frauen zum Zug kommen, und der zuständige Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) wisse das auch. "Die Gelegenheit, dass an wirkungsvollen, sehr sichtbaren Orten der Stadt Umbenennungen stattfinden, sind sehr selten", ärgert sich Wurzer. "Aber auch für eine vertane Gegenwart gibt es keinen Ersatz", so Wurzer in Anlehnung an den Soziologen Pierre Bourdieu.

"Ernsthafte Begründung"

Immerhin hatten die Grünen im Zuge der Gemeinderatsdebatten über die Umbenennung des Lueger-Rings versucht, mit der SPÖ einen Antrag einzubringen, dem zufolge ab sofort bei allen Um- und Neubenennungen öffentlicher Verkehrsflächen Frauen berücksichtigt werden sollten, und zwar so lange, bis eine Parität hergestellt wäre. Dieser Antrag scheiterte aber an der Zustimmung des Koalitionspartners SPÖ. Wie dringend dieses Anliegen jedoch ist, zeigen auch die Zahlen zum Stadtbild: Nur acht Prozent der personenbezogenen Verkehrsflächenbenennungen erinnern in Wien an Frauen, 92 Prozent hingegen an Männer. Da die Wiener Koalitionspartner, Grüne und SPÖ, im Vergleich zu anderen Parteien ein relativ hohes Bewusstsein für Frauenpolitik und feministische Politik haben, stellt sich die Frage, mit welcher Begründung die SPÖ den Vorschlag von Wurzer ablehnte. "Die ernsthafte Begründung war: Das nimmt uns die Möglichkeit, Straßen nach wichtigen Männern zu benennen."

Da Straßennamen aber nicht nur zur Orientierung dienen, sondern auch Geschichte erzählen, zeigen die Straßenbenennungen auch die Verortung der Frau innerhalb der Gesellschaft. Exemplarisch zeigt sich die Platzzuweisung der Frau auch in der entstehenden Seestadt Aspern. Dort werden neben einer Sonnenallee, einer Seestadtstraße und einem Seepark den Straßen nur Namen von Frauen gegeben: Susanne Schmida, Ilse Arlt, Hannah Arendt, Yella Hertzka, Ella Lingens-Rainer, Agnes Primocic, Georgine Steininger. An sie alle wird fortan auf Straßenschildern erinnert.

Gleichgültigkeit gegenüber Frauen

"Das ist zumindest ein Schritt, aber nicht in die richtige Richtung. Frauen an den Stadtrand zu drängen zeigt, dass sie nicht wirklich integriert sind. Wenn Frauen unmittelbar im Stadtraum präsent sind, im Zentrum vorhanden sind, kann man von Integration sprechen", meint Maderna über die Straßenbenennungen am östlichen Stadtrand von Wien. Für Wurzer ist dies Ausdruck einer "Almosen-Politik": "Stadtentwicklung spielt sich eben meist am Stadtrand ab. Aber insgesamt ist auch diese Almosen-Politik sehr unbefriedigend. Solange die Umbenennung an wichtigen Plätzen der Stadt nicht mit Frauen geschieht, sind das unbefriedigende Lösungen." Die Seestadt zu einer Art "Frauenstadt" zu machen spiegle die Gleichgültigkeit gegenüber Frauen in der Geschichte wieder.

Wie feministische Historikerinnen immer wieder hervorheben, wurden Frauen in der von Männern geschriebenen Geschichte weitgehend unsichtbar gemacht. Insofern Frauen erwähnt wurden, wurden sie fast ausnahmslos in ihrer Beziehung zu Männern dargestellt, und schließlich hält dieser selektive Blick starr an männlichen Lebensentwürfen als Norm fest und schreibt diesen als Maßstab für alle fest. Maderna plädiert für eine "Änderung des historischen Bewusstseins und den Willen, dass man Frauen partizipieren lässt". Auch Martina Wurzer ermahnt zu einem kritischen Umgang mit der Geschichte bei gleichzeitigem "zeitgemäßem Geschichte-Umgang, und dazu gehört auch, nicht weiterhin ständig Frauengeschichte auszublenden".

"Man hat mir gesagt, ..."

Um den Namen der Friedensnobelpreisträgerin von Suttner auf Straßenschildern der Wiener Ringstraße lesen zu können und eine Änderung des Bewusstseins bei PolitikerInnen hervorzurufen, hat Marianne Maderna Briefe an Stadträtin Renate Brauner, Bürgermeister Michael Häupl, Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (alle SPÖ) geschrieben. "Man hat mir gesagt, man werde es weiterleiten", erzählt sie, eine definitive Antwort habe sie bisher keine erhalten.

Als Gemeinderätin mit größerem Handlungsspielraum ausgestattet versichert Wurzer, dass sie "nicht lockerlassen wird. Ich versteife mich dabei auch auf Umbenennungen, nicht nur Neubenennungen. Denn jede Ablehnung ist eine Ablehnung von Frauen, ein absichtliches Zudecken und Verstecken ihrer Wirksamkeiten, so wie es in der Geschichte stets der Fall war." An der Neubenennung Universitätsring gibt es jedenfalls nichts mehr zu rütteln. Nach einigen Ausschüssen in den kommenden Monaten werden die neuen "Universitätsring"-Schilder ab Herbst den Ring-Abschnitt zieren. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 31.5.2012)