Sion - Die wohl kurioseste Saison des Schweizer Fußballs geht in die Verlängerung, denn die unendliche Geschichte des FC Sion ist immer noch nicht beendet: Trotz des kaum für möglich gehaltenen Klassenerhalts muss der wegen des Abzugs von 36 Punkten in die Schlagzeilen geratene Schweizer Erstligist ein Nachspiel am grünen Tisch fürchten. Zwar schaffte der Klub des streitlustigen Präsidenten Christian Constantin in der Relegation gegen den FC Aarau den Nichtabstieg, doch der Zweitligist spielte die beiden Begegnungen nur unter Protest.

"Diese Relegation ist nicht regulär. Das ist eine politische Angelegenheit. Deshalb haben wir unter Protest gespielt", sagte Aaraus Trainer René Weiler. Dabei gaben sich die Aarauer aber mit einem Protest nicht zufrieden, gleich zwei vermeintliche Fehler beanstandete der Außenseiter.

Nach Ansicht des Klubs hätte man gar nicht gegen Sion, den sportlich drittstärksten Verein, antreten dürfen. Lediglich die öffentlichkeitswirksamen 36 Punkte Abzug wegen Verstoßes gegen FIFA-Regularien sorgten dafür, dass der Klub aus dem Kanton Wallis auf dem vorletzten Platz lag und nicht das sportlich zweitschlechteste Team. Zudem war Sions Mittelfeldspieler Geoffrey Serey in den entscheidenden beiden Begegnungen spielberechtigt. Dieser hatte Anfang Mai zwar einen Ballbuben geohrfeigt und war für acht Spiele gesperrt worden, doch der Einspruch des Erstligisten gegen die Strafe wird erst nach der Saison verhandelt.

Erst der Punktabzug für Sion hatte verhinderte, dass die FIFA den gesamten Schweizer Fußballverband aus allen internationalen Wettbewerben ausschloss. Sion war im Sommer 2011 wegen des Einsatzes von unzulässig verpflichteten Spielern im Europa-League-Qualifikationsspiel gegen Celtic Glasgow aus dem Europacup ausgeschlossen worden. Sion hatte das Transferverbot allerdings als rechtswidrig erachtet und erfolglos auf mehreren Ebenen - auch zivilrechtlich - gegen die UEFA prozessiert.

Dass Sion überhaupt in die Relegation kam, lag an einem weiteren Skandal. Wegen Verdachts auf Dokumentenbetrug war Xamax Neuchâtel die Lizenz entzogen worden, der letztjährige Pokalfinalist stand als einziger Direktabsteiger fest. Der damalige Xamax-Präsident Bulat Tschagajew, Vertrauter des früheren tschetschenischen Warlords und heutigen Präsidenten Ramsan Kadyrow, wurde am 26. Jänner verhaftet. Erst am vergangenen Freitag kam er aus der Untersuchungshaft, die Untersuchung wegen "ungetreuer Geschäftsführung" geht aber weiter. (sid/red, derStandard.at, 29.5.2012)