Tokio - Chinas schnell wachsender Nahrungsmittelbedarf führt zu einer neuen Milliardenübernahme in der Agrarbranche: Das japanische Handelshaus Marubeni kauft für 3,6 Milliarden Dollar (2,87 Milliarden Euro) den drittgrößten US-Getreidehändler Gavilon und stemmt damit die bisher größte Übernahme in seiner Geschichte. Einschließlich Schulden hat der Zukauf nach Firmenangaben von Dienstag sogar ein Volumen von 5,6 Milliarden Dollar. Marubeni will sich stärken, um mehr von der boomenden Nachfrage aus China zu profitieren. Nordamerika gilt als weltweit wichtigstes Drehkreuz für den Export von Getreide. Erst im März hatte der Schweizer Rohstoffgigant Glencore für rund sechs Mrd. Dollar den kanadischen Getreidekonzern Viterra gekauft.

China dürfte nach Einschätzung von Experten bereits in den nächsten Jahren Japan als größten Getreideimporteur ablösen. Schon jetzt ist die zweitgrößte Volkswirtschaft weltweit größter Abnehmer von Sojabohnen. "Wir gehen davon aus, dass in Zukunft mit Getreide aus den USA Versorgungslücken in China gedeckt werden können, wenn es dort wegen Wassermangels zu Ernteausfällen kommen sollte", sagte Marubeni-Berater Daisuke Okada. Das fünftgrößte japanische Handelshaus könne mit den 30 Millionen Tonnen aus den Gavilon-Silos sein Volumen an Getreide im bis März laufenden Geschäftsjahr auf 55 Millionen Tonnen steigern und damit in die Spitze der Branche vorstoßen.

Revierkämpfe bei Getreidelieferanten

Zugleich dürfte Marubeni dem Gavilon-Rivalen Archer Daniels Midland die Position als größter US-Getreide-Lieferanten in China streitig machen. Denn Marubeni ist schon jetzt hier die Nummer zwei. Experten beurteilten die Fusion als strategisch sinnvoll. Damit werde die Vertriebskette bei Marubeni von der Lagerung über den Export bis hin zum Endkunden vervollständigt, sagte Akio Shibata vom Tokioter Forschungsinstitut für Naturressourcen. Gavilon, zu dessen Besitzern auch der bekannte US-Investor George Soros zählt, ist auch gut im Markt für Düngemittel aufgestellt. Ursprünglich soll auch Glencore an Gavilon interessiert gewesen sein. Doch der Konzern hat seinen Übernahme-Hunger wohl mit dem Viterra-Kauf gestillt.

Interesse an der US-Firma hatten zunächst auch die Marubeni-Rivalen Mitsui und Mitsubishi angemeldet, sich dann aber doch gegen ein Angebot entschieden. Die Branche in Japan hatte in letzter Zeit vermehrt weltweit zugekauft, um sich vor allem im Wettstreit mit China den Zugang zu wichtigen Rohstoffen zu stärken. Der Gavilon-Kauf ist die größte Auslandsübernahme eines japanischen Unternehmens seit sechs Jahren. (APA/Reuters, 29.5.2012)