Klaus Rubinstein (Thorsten Merten) erfährt in einem ungünstigen Augenblick, dass seine Frau Maria verschollen ist.

Foto: Filmladen

Wien - Kurz vor Ende des Films hält Daniel Kehlmann eine Rede. In einem Cameo-Auftritt als Laudator spricht der Autor zu einem erlesenen Publikum, das sich anlässlich einer Preisverleihung in Zürich eingefunden hat. Der Mann, der die Auszeichnung entgegennehmen soll, ist Leo Richter (Stefan Kurt), ein erfolgreicher Schriftsteller aus Kehlmanns Roman "Ruhm". Und so kommt es, dass der Autor Kehlmann im Film Ruhm eine Lobrede auf eine seiner Romanfiguren hält. Doch damit nicht genug: Vom sinnlosen Geschwurbel Kehlmanns - angeblich montiert aus Kritiken über dessen Debütroman "Die Vermessung der Welt" - genervt, bereitet Richter der Rede ein rasches Ende.

Man könnte nun argumentieren, dass diese ironische Selbstbezüglichkeit vortrefflich der literarischen Vorlage entspreche. "Ruhm" ist seinem Untertitel "Ein Roman in neun Geschichten" gemäß in der Tat ein lustvolles - und stellenweise auch lustiges - Spiel mit falschen Identitäten und einander kreuzenden Lebensläufen. Man könnte aber auch behaupten, dass die Übertragung auf die Kinoleinwand, wie sie nun Isabel Kleefeld vorlegt, die Schwäche von Kehlmanns Roman kenntlich macht.

Von den neun Episoden sind zwar nur sechs in das ebenfalls von Kleefeld geschriebene Drehbuch eingeflossen, von einer Verdichtung kann jedoch nicht die Rede sein. Bereits die erste Erzählung, in der sich ein biederer Elektroingenieur (Justus von Dohnányi) sein erstes Mobiltelefon kauft, dient ausschließlich als Auslöser einer leitthematischen Kettenreaktion. Weil die Nummer doppelt vergeben wurde, gelten die bei ihm eingehenden Anrufe in Wahrheit einem deutschen Starschauspieler (Heino Ferch), bei dem wiederum niemand mehr anruft und der daraufhin als sein eigener Doppelgänger auftritt. Dazwischen machen sich vier weitere Episoden breit, die mithilfe des thematischen Gimmicks Mobiltelefon miteinander verwoben sind, darunter jene des preisgekrönten Autors Richter sowie einer an Krebs erkrankten Frau (Senta Berger), die in Zürich bei einem Sterbehilfeverein ihren letzten Wunsch vorträgt.

Gerade indem Kleefeld die scheinbar raffinierte Dramaturgie der Vorlage übernimmt, zeigt sich, dass das Ausstellen von Oberfläche längst noch kein Zeichen von eigener Tiefe ist. Denn was bei Kehlmann auf technischer Ebene als multiperspektivisches Arrangement funktioniert, erweist sich im Kino als wenig originelles "Short Cuts"-Prinzip, wie man es von Paul Haggis' "L.A. Crash" oder Alejandro González Iñárritus "Babel" kennt, wo Figuren zu reinen Erfüllungsgehilfen einer "größeren Ordnung" werden.

Durchschaubarer Clou

Das Grundproblem von "Ruhm" ist jedoch der Umstand, dass gemäß der Vorlage moderne Kommunikationstechnologie für Selbstreflexion und Identitätsverlust einstehen muss. Denn der Clou vom "Roman ohne Hauptfigur", von dem der arrogante Leo Richter schwärmt - und damit natürlich vom eigenen Ruhm -, erweist sich ausgerechnet im "modernen" Medium Film als durchschaubar. Dass die durch moderne Technik aneinandergebundenen Figuren an ebendieser leiden, wirkt als Gedanke nicht innovativer, wenn die von Südamerika bis Zentralasien verteilten Schauplätze mittels raffinierter Schnittfolge zusammengehalten werden.

In einem Interview anlässlich der Veröffentlichung von Ruhm vor drei Jahren meinte Kehlmann, dass er die Form des Episodenfilms auf den Roman habe übertragen wollen. Die Rücküberführung auf die Leinwand lässt dieses Unterfangen als doppelt unnütz erscheinen. (Michael Pekler, DER STANDARD, 30.5.2012)