Ramiza Emrić und Šefika Merdanović aus Ex-Jugoslawien und Süleiman Tatlisöz aus der Türkei kamen Ende der 1960er nach Wien.

Foto: Martin Juen

Lazar Bilanović war sein Leben lang ein politisch engagierter "Gastarbeiter".

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"Viele haben ihre Jugend für Österreich hergegeben, sind hier alt und grau geworden. Und besonders beim Gedanken, dass uns einige bereits verlassen haben, wird die Überfälligkeit dieses Dankeschöns deutlich": Alev Korun.

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Die OrganisatorInnen der Veranstaltung, Eva Glawischnig und Alev Korun, mit ihren Gästen.

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Mehr als 150 Gäste kamen am vergangenen Donnerstag im außerordentlich prunkvollen Abgeordnetensprechzimmer des österreichischen Parlaments zusammen, um symbolisch einigen Vertretern der sogenannten Ersten Generation für ihre vielfältigen Beiträge zum Wiederaufbau des Landes und der Sicherung des österreichischen Wohlstands zu danken. Während in Deutschland im Jubiläumsjahr der Arbeitsmigration zahlreiche Feste, Ausstellungen und mediale Rückblicke in Szene gesetzt wurden, ist in Österreich die Veranstaltung der Grünen im Parlament bisher ein einsamer Punkt im Kalender.

Repräsentanten der Republik wie Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Michael Spindelegger, Präsident Heinz Fischer und auch inhaltlich Zuständige wie Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz glänzten ganz im Kontrast zum goldenen Schmuck des repräsentativen Hauses lediglich durch Abwesenheit. Kein einziger Vertreter der Bundesregierung ist der Einladung gefolgt.

Gäste sollen und dürfen nicht arbeiten

Die grüne Abgeordnete Alev Korun eröffnete die Veranstaltung mit zahlreichen Denkanstößen. Die Bezeichnung "Gastarbeiter", merkte sie an, sei irreführend, denn Gäste sollen und dürfen gar nicht arbeiten. Die Vorstellung, man könne hunderttausende Menschen zum Arbeiten in ein Land einladen und bei verrichteter Arbeit freundlich hinausbegleiten, sei einer der größeren Irrtümer Nachkriegs-Mitteleuropas.

"Viele haben ihre Jugend für Österreich hergegeben, sind hier alt und grau geworden. Und besonders beim Gedanken, dass uns einige bereits verlassen haben, wird die Überfälligkeit dieses Dankeschöns deutlich", so Korun. Sie sprach auch an, dass der Aspekt der Arbeitsmigration beim Leistungsdiskurs, der durch Staatssekretär Kurz eingeführt wurde, vollkommen ignoriert werde. "Leistung wird unsichtbar gemacht", sagte Korun und meinte damit, dass die lange Geschichte der Arbeitsmigration etwa in Geschichtsbüchern und Unterricht in Österreich keinen Platz habe.

Ankunft am Südbahnhof und Klo am Gang

Anschließend erzählten Lazar Bilanović, Ramiza Emrić und Šefika Merdanović aus Ex-Jugoslawien und Süleiman Tatlisöz aus der Türkei von ihren ersten Erfahrungen und Eindrücken in Österreich. Im freundlichen "Großeltern-Panel" sprachen die ehemaligen GastarbeiterInnen zum Teil authentischstes Wienerisch, erzählten von überraschend schneller Arbeitsfindung, Verständigungsschwierigkeiten, Substandard-Wohnungen und den Tiefen und tieferen Tiefen österreichischer Migrationspolitik.

Die Moderatorin, Olivera Stajić, lieferte dazu die Eckdaten: So herrschte 1981, nach den größten Wellen der Arbeitsmigration, fast Vollbeschäftigung und die Beschäftigungsrate von Frauen war unter Migranten höher als unter Österreichern. Dafür lebten aber mehr als 60 Prozent der "Gastarbeiter" in Substandardwohnungen, zahlten im Vergleich zu Österreichern pro Quadratmeter doppelt so viel Miete und hatten durchschnittlich pro Person nur halb so viel Raum zur Verfügung. Von ähnlich kritischen Lebensumständen und dem Gefühl, nicht willkommen zu sein, berichtete auch Melih Gördesli, der am Ende der Veranstaltung aus seinem Buch "Ohne Heimat" vorlas.

Zimmer mit Ausblick

In Österreich fehlen Initiativen, um die lange, bedeutsame, vielfältige und interessante Geschichte der (Arbeits-)Migration sichtbar und (er)fassbar zu machen. Maßnahmen wären etwa die Errichtung eines Migrationsmuseums und das Etablieren der Thematik in Geschichts- oder Geografiebüchern und somit auch in der Schule und Bildung. Wird am neuen, modernen Wiener Zentralbahnhof eine Tafel daran erinnern, welche Bedeutung der alte Südbahnhof als Anker, Jobbörse, Informationsstelle und Treffpunkt für Migranten in Österreich hatte? Welche Denkmäler werden wir endlich den Arbeitern ohne Namen errichten, ohne die Österreich und seine Wirtschaft nicht ausgekommen wäre und die wir heute mit Leistungsgerede verhöhnen?

Man sieht leider genau, welchen Stellenwert dieses Thema in Österreich hat: Vertreter der Regierung würden nicht einmal zu einem Fest mit Buffet an ihrem eigenen Arbeitsplatz kommen. Reine Arbeitsmoral oder doch Schwänzen? (Olja Alvir, daStandard.at, 29.5.2012)