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Der Papst bei der Pfingstmesse im Petersdom.

Foto: REUTERS/Stefano Rellandini

Rom - Im Vatikan wird nach möglichen Komplizen des beschuldigten Kammerdieners von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, gesucht, der am Donnerstag im Zuge eines seit Wochen schwelenden Enthüllungsskandals festgenommen wurde. Nicht ausgeschlossen wird, dass es bald zu weiteren Festnahmen kommt, wie die römische Tageszeitung "La Repubblica" am Sonntag schreibt. Die Nachricht einer weiteren Verhaftung nach jener des Kammerdieners wurde jedoch von Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi dementiert.

In der Wohnung Gabrieles sei eine "beeindruckende Menge" vertraulicher Dokumente des Papstes gefunden worden, verlautete aus Ermittlerkreisen. In der Wohnung wurden auch Kopiergeräte entdeckt. "Dies beweist, dass es sich nicht um eine episodische Aktivität, sondern um eine wahre Organisation handelte, die vertrauliche Dokumente fotografierte, vervielfältigte und archivierte", kommentierte "La Repubblica".

Gabriele verbrachte die dritte Nacht in Folge in einer Zelle im Vatikan. Der Mann habe sich bisher geweigert, Fragen der Ermittler zu beantworten, berichteten italienische Medien. Er bete viel.

Die Ehefrau Gabrieles, Manuela Citti, zeigte sich überzeugt, dass sich die Vorwürfe gegen ihren Mann aufklären würden. "Ich kenne die Loyalität meines Mannes und die Treue, mit der er seine Aufgabe erfüllt", sagte die Frau. Vertrauensleute des Papstes wurden mit der Vermutung zitiert, der 46-Jährige, der seit 2006 in der Wohnung des Kirchenoberhauptes dient, habe nicht aus finanziellen Motiven gehandelt, sondern könnte manipuliert worden sein.

Ende April hatte Benedikt XVI. drei pensionierte Kardinäle beauftragt, die wiederholte Weitergabe interner Dokumente nach außen aufzuklären. Die Ermittler hatten von Anfang an vermutet, dass eine Person aus dem engsten Kreis des Papstes die vertraulichen Papiere an die Medien weitergegeben habe. Viele Briefe, die an die Öffentlichkeit gelangten, hatten niemals die Wohnung Benedikts verlassen. Daher wurden mehrere der engsten Mitarbeiter des Papstes befragt, darunter auch jene, die die sogenannte Päpstliche Familie bilden. Dazu gehören neben Gabriele einige Ordensschwestern und der langjährige Privatsekretär Benedikts XVI., Georg Gänswein.

Nicht ausgeschlossen wird, dass die vertraulichen Dokumente der Öffentlichkeit preisgegeben wurden, um Gänswein zu schaden. Der Privatsekretär des Papstes habe seine Position wesentlich gestärkt, er sei de facto zum einzigen Berater Benedikts avanciert, was viel Neid und Ressentiments ausgelöst haben könnte, spekulierten italienische Medien.

Hintergrund der Affäre könnte aber auch ein Machtkampf zwischen dem vatikanischen Staatssekretär Kardinal Tarcisio Bertone und dem Präsidenten der einflussreichen Vatikanbank IOR, Ettore Gotti Tedeschi, sein, der am Donnerstag entlassen wurde. Tedeschi könnte dazu beigetragen haben, die Dokumente an die Medien weiterzuleiten, nachdem er mit Bertone über die Führung der Vatikanbank in Konflikt geraten war, hieß es. (APA, 27.05.2012)