Wenn es bei den Wahlergebnissen bleibt, die sich am Freitag abzeichneten, dann haben sich die Ägypter und Ägypterinnen die für das Land gefährlichste Konstellation eingebrockt: Die Wahl fällt Mitte Juni zwischen einem Muslimbruder alten Schlags und einem Gesicht des alten Regimes.

Nicht dass über diese zwei Personen, Mohamed Morsi und Ahmed Shafik, mit diesem Urteil der Stab gebrochen werden soll: Man weiß von beiden nicht, was für einen Präsidenten sie abgeben würden beziehungsweise werden. Die Muslimbrüder zeigen immer wieder Anzeichen von Pragmatismus, und Shafik wurde von Hosni Mubarak kurz vor dessen Abtreten deshalb zum Premier gemacht, weil er eine der fähigsten Figuren im Kabinett war. Es geht nicht so sehr um die Personen, sondern wofür sie stehen. Gleich, wer die Stichwahlen gewinnt, es wird eine Wahl getroffen werden, die sich jeweils gegen den anderen Teil der ägyptischen Gesellschaft richtet. Alte autoritäre gegen neue islamische Ordnung: Ägypten hat die Polarisierung gewählt.

Und jene, die mit beidem nichts anfangen können, stehen draußen. Das sind viele - aber eben doch weniger, als die Revolutionsbilder vom Tahrir-Platz glauben machen wollten. Dass jedoch bei der Linken, Liberalen und Säkularen mehr drinnen gewesen wäre, hätten sie ihre Kräfte gebündelt, zeigt das erstaunlich starke Abschneiden des Linkskandidaten Hamdeen Sabbahi. Aber nasseristische Nostalgie ist eben auch nicht jedermanns Sache. (DER STANDARD, 26.5.2012)