St. Pölten - Für die Möglichkeit, ein von der Polizei im Fall von Gewalt in der Familie über den Täter ausgesprochenes Betretungsverbot zum Schutz von Kindern auf Schule und Kindergarten ausweiten und allenfalls mit einem Kontaktverbot verknüpfen zu können, plädiert die Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Sankt Pölten, Marlies Leitner. Bisher seien solche Maßnahmen erst durch einen Antrag an das Gericht möglich. Trauriger Anlass für ihre Forderung ist die Bluttat, die am Freitag ein Mann gegen sein Kind und schließlich gegen sich selbst verübte - derStandard.at/Panorama berichtete.

Dass Kinder im Fall von Ehe- oder PartnerInnenschaftsstreitigkeiten als Mittel eingesetzt werden, um Frauen unter Druck zu setzen, kommt ihrer Erfahrung nach relativ häufig vor. "Dabei geht es unter anderem darum, trennungswillige Ehefrauen zum Bleiben zu bewegen oder ein Signal zu setzen: 'Wenn Du gehst, wird den Kindern was passieren.' Sichtbar wird das in spektakulären und besonders tragischen Fällen, wie jenem in der Schule in St. Pölten", sagte Leitner.

Die Kriminalpsychologin Adelheid Kastner erklärt in der Samstagausgabe von "Der Standard", dass derartige Handlungen "als Strafe an der Partnerin" gesehen werden müssen. "Nur damit trifft man den geringschätzigen Partner wirklich ins Herz. Es gibt nichts Schlimmeres, als einer Mutter ihr Kind zu töten. as hört man auch ganz oft explizit von Männern, die den anschließenden Selbstmord überleben", so Kastner.

Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren

Die Polizei handle im Fall von Gewalt in der Familie sehr umsichtig, sagte die Diplomsozialarbeiterin Leitner, sie wünscht sich aber mehr gesellschaftliches Bewusstsein für das Problem, das von Opferschutzeinrichtungen allein nicht zu bewältigen sei. "Da sind wir alle sehr gefordert: Opferschutzeinrichtungen, Polizei, Gerichte und Strafjustiz", erklärte die Leiterin des Gewaltschutzzentrums. Verbesserungsfähig ist nach ihren Worten auch das sogenannte Bedrohungsmanagement bei Hochrisikofällen: "Die Dynamik der Gefährdung ist erkennbar. Das Warnverhalten müsste dokumentiert werden, um das Risiko früher entschärfen zu können", wünscht sich Marlies Leitner. "Hier stehen wird bei den Erkenntnissen leider noch an den Anfängen."

Kinder verdienen ihrer Überzeugung nach auch mehr Berücksichtigung als Zeugen von Gewalt in der Familie, sprich unter Partnern: "Es kommt immer noch vor, dass in Obsorge- oder Besuchsrechtsverfahren argumentiert wird, Kinder seien nicht selbst geschlagen worden und daher keine Opfer von Gewalt. Mitansehen zu müssen, dass die Mutter zum Beispiel geschlagen wird, macht sie aber zu Opfern psychischer Gewalt", betonte Leitner.

Das Betretungsverbot für Täter wird im Zuge einer Wegweisung ausgesprochen. Derzeit muss der Täter zehn Tage von der Wohnung oder dem Haus fern bleiben, egal wer im Mietvertrag als HauptmieterIn steht. Selbstverständlich betrifft das auch Täterinnen - aber Gewalt ist kein geschlechtsneutrales Problem. Frauen sind überproportional von Gewalt durch Männer betroffen. Vor 15 Jahren, am 1. Mai 1997, trat das Gesetz in Österreich in Kraft und wurde in Europa richtungsweisend. Erst kürzlich forderte auch Rosa Logar, Obfrau des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, besseren Schutz und Hilfe für Kinder in Gewaltbeziehungen. (APA, red, 25.5.2012)