Allen Jones' zu Möbel degradierte Puppen im charakteristischen Lack-Leder-Ornat aus der Sammlung von Gunter Sachs waren in London heiß umkämpft. Für diesen Sessel fiel der Hammer bei etwas mehr als einer Million Euro.

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Von Anish Kapoors "Erlebniswelt" fand in Österreich eine neue Heimat.

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Selbst Optimisten hätten das in Griffweite vorbereitete Wasserglas nicht mehr als halbvoll zu bezeichnen gewagt. Zwei, vielleicht drei maßvolle Schlückchen, mit denen Henry Wyndham Dienstagabend in London das Auslangen finden musste. Für die ersten 41 von insgesamt 288 Positionen aus der Sammlung Gunter Sachs galt es den anwesenden und den übers Telefon zugeschalteten Bietern so viel als möglich zu entlocken.

Als eine Gratwanderung zwischen zweckdienlichen Adrenalinstößen und Hysterie hatte der Sotheby's-Auktionator und bekennende Morgenmuffel dieses Gefühl einmal beschrieben. Beim Massaker der Unschuldigen sei dies etwa der Fall gewesen, jenem Peter Paul Rubens österreichischer Provenienz, den er 2002 zum nach wie vor gültigen Künstlerweltrekord von umgerechnet 77,24 Millionen Euro (49,5 Mio. Pfund) und zum Leidwesen des Unterbieters Johann Kräftner an Medientycoon Kenneth Thomson weiterreichte. Oder auch bei Giacomettis Bronze L'homme qui marche, für die er die Gebote 2010 bis zu 74,18 Millionen Euro (65 Mio. Pfund) dirigierte.

Solche Regionen standen Diens tagabend nicht auf dem Programm, nach neun Zuschlägen und etwas mehr als vier umgesetzten Pfund-Millionen nippte Wynd ham erstmals am Wasserglas, die Ausschüttung von Stresshormonen stand da noch bevor. Bei Erwartbarem sowieso, etwa bei Warhol, für dessen Selbstporträt mit Perücke (1986) ein anonymer Käufer den Höchstwert der Sitzung bewilligte (5,36 Mio. Pfund), so richtig in Fahrt brachten ihn jedoch Allen Jones' 1969 zu Möbeln degradierte Schaufensterpuppen - weniger deren Bondage-Ornats wegen als ob der exaltierten Preissprünge: Für den Hutständer ging's von 30.000 zackig auf 550.000 ("... it's not my money") und weiter bis 660.000 Pfund ("bang", inkl. Aufgeld 780.450 Pfund). Mit 30.000 startete Wyndham auch beim Sessel ordnungsgemäß, um sich eine Sekunde später ein spontanes "300.000?"-Späßchen zu erlauben. Ein Saalbieter ("... that's my kind of guy!") gab prompt grünes Licht.

Internationaler denn je

Als Sieger zog nach zwei Minuten allerdings der Chef des Contemporary-Departments vom Feld. In wessen Auftrag Alex Rotter, Sohn der in Wien ansässigen Kunsthändlerin Elisabeth Sturm-Bednarczyk, 836.450 Pfund bewilligte ist ebenso wenig bekannt wie die folgenden 970.850 Pfund für den Tisch. Gesichert ist hingegen, dass jedes Möbel für sich den bisherigen Künstlerrekord verdreifachte. Am Ende des Abends hatten 37 Kunstwerke zum Gegenwert von 35,62 Millionen Pfund den Besitzer gewechselt, anderntags stockten 228 weitere Zuschläge die finale Sachs-Bilanz auf stolze 41,44 Millionen Pfund (51,29 Mio. Euro) auf.

Gemessen daran, ging es in Wien freilich etwas beschaulicher zu, im Verhältnis aber dennoch erfolgreich, zumal das im Zuge der zweiten Auktionswoche des Jahres zur Verteilung gelangende Angebot deutlich internationaler ausgerichtet war als hierzulande sonst bislang üblich. Die nach sieben Sitzungen notierten 13,53 Millionen Euro markieren den höchsten Umsatz, gemessen an den zuletzt in diesem Zeitraum erzielten: Die Sparten Silber, Juwelen, Armband- und Taschenuhren sowie Jugendstil knüpften an die Vorgaben der Vorjahre an, einzig Design blieb deutlich darunter.

Die Sektion Klassische Moderne lieferte dank entsprechender Lockspeisen eine mehr als passa ble Performance (Verkaufsquote 70 Prozent, Umsatz 3,71 Mio.): Max Ernsts Les jeunes et les jeux twistent (1964) wechselte bei 605.300 Euro (inkl. Aufgeld) zum Tageshöchstwert übers Telefon Richtung Deutschland, während Egon Schieles Gouache-Akt (398.300) aus dem Jahr 1912 in unbekannte Gefilde abwanderte.

Zum Abschluss der Woche stand Donnerstagabend Zeitgenössisches auf dem Programm, und hier sollte nicht nur der permanente Ausfall der Anzeigetafel die Pulsfrequenz des Auktionators erhöhen. Nach außen hin blieb Rafael Schwarz freilich souverän, selbst als auf ausdrücklichen Wunsch eines internationalen Interessenten Anish Kapoors hohlspiegelartige Arbeit (2001) früher aufgerufen werden musste und die Versteigerungsabfolge kurzfristig durcheinandergeriet.

Mit stoischer Miene und erste Reihe fußfrei setzte sich ein Käufer aus Österreich gegen Konkurrenten aus Italien, England und den USA durch: 754.800 Euro waren eben ein überzeugendes Argument. Dazu gönnte sich der gleiche Käufer etwas später noch eine Arbeit aus der Serie Unfälle im Haushalt (61.300 exkl. Folgerecht) von Otto Muehl. Auch wenn Saalbieter an diesem Abend seltener ihre Täfelchen zückten, als man Telefonbietern die Zuschläge erteilte, der Stimmung tat es keinen Abbruch, und das Ergebnis summierte sich auf 5,61 Millionen Euro: den höchsten jemals in dieser Sparte in Österreich erzielten Umsatz überhaupt. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 26./27./28.5.2012)