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Diese Bilder gingen um die Welt: In Zürich wurde am Mittwoch ein 6.200 Tonnen schweres und 123 Jahre altes Gebäude um 60 Meter verschoben (wir berichteten). Die 80 Meter lange einstige Maschinenfabrik musste dem Ausbau des Schienennetzes am Züricher Bahnhof Oerlikon weichen.

Schweizer Medien sprachen von der "größten Aktion dieser Art, die je in Europa stattfand". So ganz richtig ist das allerdings nicht.

Foto: Reuters/Buholzer

Eine noch viel beschwerlichere Aktion wurde beispielsweise schon in den 1970er-Jahren in der nordböhmischen Stadt Most durchgeführt: Dort wurde eine 10.000 Tonnen schwere Kirche (Bild) verpflanzt. Die kommunistische Regierung in Prag hatte zuvor beschlossen, dass die ganze historische Altstadt dem Kohlebergbau weichen müsse.

1971 wurde dann aber auf Druck der Öffentlichkeit etwas zurückgerudert - zumindest was das 1517 erbaute Gotteshaus betraf. Mehrere Jahre lang wurde an einer Lösung gebastelt, wie man dieses quasi buchstäblich auf sicheres Terrain bringen könnte.

Foto: Wikipedia

1975 war es dann so weit: Mit einer Geschwindigkeit von 2,16 cm in der Minute dauerte es fast einen ganzen Monat, das Bauwerk auf Schienen und unter Einsatz hydraulischer Hebekonstruktionen um exakt 841,1 Meter zu versetzen.

Die "Rettung" der Kirche wurde insbesondere auch damit argumentiert, dass die alte Dekanatskirche ob ihres Stützsystems einmalig und deshalb von kunsthistorischem Wert sei. Die tragenden Pfeiler befinden sich nämlich nicht – wie bei den meisten gotischen Kirchen – außen, sondern im Inneren der Kirche.

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Mit der Kirche ums Kreuz – Die Dekanalkirche Maria Himmelfahrt in Most (Brüx) (tschechien-online.org)

Die "bewegte" Geschichte der Dekanatskirche in Most (radio.cz)

Foto: Wikipedia

Ein nicht ganz so glamouröses Vorbild für die Aktion gibt es übrigens auch aus Wien: Die Laimgrubenkirche im 6. Bezirk ("St. Josef") wurde zwischen 1905 und 1907 direkt neben ihrem alten Standort als Kopie nochmals gebaut. Und zwar deshalb, weil die alte Kirche im Zuge des Ausbaus der Mariahilfer Straße ein Hindernis für den Verkehr darstellte. Das Original wurde dann – richtig – abgerissen.

Etwas häufiger kommt es glücklicherweise vor, dass ein Gebäude an seinem ursprünglichen Standort vollständig zerlegt und anderswo wieder aufgebaut wird, also quasi in der Originalfassung. Bekanntes Beispiel eines solchen Vorgangs ist die "Villa Blumenthal" in Bad Ischl, die auch als "erstes Fertigteilhaus Europas" bekannt ist. Der Berliner Bühnenautor und Theaterkritiker Oskar Blumenthal sah sie auf der Weltausstellung 1893 in Chicago und verliebte sich in sie. Per Schiff und Bahn schaffte er die Villa dann in mehrere Teile zerlegt nach Bad Ischl.

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Ein Abriss der Geschichte unserer Pfarre (pfarrelaimgrube.at)

Villa Blumenthal (eurothermen.at)

Foto: Wikipedia

Blumenthal hatte den großen Nachteil, dass seine Villa über den Großen Teich musste. Innerhalb der USA tut man sich da wesentlich leichter, hier werden Häuser meist am Stück verpflanzt. Wie sich das am besten bewerkstelligen lässt, kann unter anderem in diesem Blog nachgelesen werden.

Screenshot: derStandard.at

In Nordamerika kommen Haus-Übersiedlungen ohnehin häufiger vor – wahrscheinlich auch deshalb, weil die dortigen Holzhäuser einfach leichter zu transportieren sind.

Naturgemäß gibt es dort auch Unternehmen, die sich nur auf den Transport ganzer Häuser spezialisiert haben – etwa die Firma Wolfe House & Building Movers, die in ihrer Photo Gallery auch sehr schön zeigt, wie's gemacht wird.

Foto: Putschögl

Einen Spezialfall selbst für die USA dürfte jedoch die Stadt Hibbing in Minnesota darstellen.  Sie wurde 1893 von einem ausgewanderten Deutschen gleichen Namens gegründet, nachdem er in der Gegend Eisen im Boden entdeckt hatte. Der Abbau der Bodenschätze begann, die Stadt wuchs und wuchs - und schließlich bedeutete das Eisen auch das Ende der Siedlung in der damaligen Form. Um 1920 herum wurden nicht weniger als 200 Gebäude, darunter auch mehrstöckige Hotels, um zwei Meilen nach Süden versetzt, um die unter der Siedlung liegenden Erzvorkommen abbauen zu können. Nur ein Gebäude, das "Sellers Hotel", überstand den Umzug nicht.

Foto: Wikipedia/Sulven

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In den 40er- und 50er-Jahren wuchs übrigens Bob Dylan in Hibbing auf.

Das alles ist aber noch kein Rekord. Denn der kommt jetzt: Das schwerste jemals im Ganzen übersiedelte Gebäude ist das Fu Gang Building in der chinesischen Provinz Guangxi. Es wiegt exakt gemessene 15.140,4 Tonnen, ist 34 Meter hoch und wurde am 10. November 2004 um 35,62 Meter zur Seite geschoben. Warum wir das alles so genau wissen? Weil es selbstverständlich im Guinness Book of World Records eine eigene Kategorie für sowas gibt.

Darüber hinaus existieren im Internet ein paar inoffizielle Listen, meist Blogs, die von den "fünf" oder "zehn schwersten und größten Gebäuden, die jemals bewegt wurden", berichten. Darunter befinden sich etwa das "Schubert Theater" in Minneapolis, die Tempel von Abu Simbel, sowie ein Flughafengebäude am New Yorker Newark International Airport.

Foto: AP/Ryan

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Und dies hier ist auch ein oft genanntes Beispiel für eine gelungene Haus-Verpflanzung: Das alte "Belle Tout Lighthouse" an der englischen Südküste, 1834 in Betrieb genommen und 1902 nach dem Bau eines neuen Leuchtturms wieder außer Dienst gestellt, musste 1999 wegen Erosion des Felsens um 17 Meter ins Landesinnere verfrachtet werden.

Link

belletoute.co.uk

Foto: Reuters/Doherty

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Und natürlich war auch das damals ein Riesenspektakel. (Martin Putschögl, derStandard.at, 25.5.2012)

Foto: Reuters/Hackett