Zweite Meinung

Ob es Kalkül ist oder einfach so passiert: Aston Martin wirkt sehr dezent im Verkehrsbild, seine maschinelle Potenz ist eher für Insider sichtbar, teurer Sportwagen ja, klar erkennbar, aber ohne provokanten Hammer und Haudrauf. Beim flüchtigen Blick mag man oft "nur" einen Jaguar erkennen. Dabei ist das, was dahintersteckt, hochbrisanter Hochleistungsmaschinenbau mit gezielt emotionaler Ausrichtung. Auch hier werden sogenannte Bauchgefühle vorzüglich bedient. In diesem Sinn ein herrliches Fest der Unvernunft. Mit Karbonbremse, das sei betont! (rs)

Foto: Rudolf Skarics

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Aston Martin

Grafik: DER STANDARD

Preismäßig ist der DBS ganz vorne dabei. Dreihundertsiebenundzwanzigtausend Euro. Da erwartet man sich Wunder. Und bekommt ein Auto. Die Erwartungshaltung ist schwer zu befriedigen. Aston Martin ist eine vornehme Marke, hier wird nicht gebrüllt und gekreischt, hier wird nicht auf den Tisch gehauen. Die billigen Effekte sind nicht im Sinne von Aston Martin. Spektakulär ist nur der Preis. Alles andere ist nur perfekt.

Beim Anlassen des Zwölfzylinders stellt der jetzt sein Licht auch nicht unbedingt unters Schemerl, da erhebt er kurz seine Stimme, ins Bildhafte übersetzt, muss man sich das wie einen kurzen Feuerstoß vorstellen, Rooaarrr, dann wird im tiefen Bassbereich gegrummelt. Der Zwölfzylinder ist schon vernehmlich, aber wirklich laut wird er erst, wenn man ihn über fünf- oder sechstausend Touren dreht, da brüllen andere bereits lange um die Wette. Wenn man im Aston Martin sitzt, findet man das Herumgegröle der Lamborghinis und der Ferraris, der Porsches und Mercedes fast ein bisschen vulgär. Seien wir ehrlich: Proleten.

Erste Umarmung

Der einzige Zwölfzylinder im Feld: Der DBS Volante von Aston Martin glänzt nicht nur mit Leistung.
Foto: Rudolf Skarics

Der Aston Martin ist das Auto für den Genießer und die Genießerin, nicht das Auto für die Angeber. Leistung hat man, natürlich, aber man trägt sie nicht vor sich her. Dass Aston Martin reinrassige Sportwagen baut, sollte sich ja herumgesprochen haben. Falls jemand fragen sollte: 517 PS. Ja, durchaus ausreichend, danke. Sechs Liter Hubraum übrigens. Die zwölf Zylinder wurden ja schon erwähnt.

Eines noch, das sollte man vielleicht auch anmerken: Unter 20 Liter geht in der Stadt gar nichts. Aber wer fährt schon in der Stadt? Bei Überlandfahrten kommen wir im Alltag locker mit 15 Liter aus – solange wir das Pfötchen von der Sporttaste lassen. Die katapultiert nicht nur den Wagen nach vorn, sondern auch den Spritverbrauch in lichte Höhen. Wäre der Aston-Martin-Fahrer ein etwas umgänglicherer, ein jovialerer Typ, er würde die Umarmungen und Danksagungen der Tankwarte etwas weniger steif hinnehmen.

Kontakt mit der Bevölkerung lässt sich nicht ausschließen. Die Bevölkerung hält zu einem Aston-Martin-Fahrer, den sie für einen Lord hält, weit weniger Abstand als zu einem Porsche-Fahrer, den sie für einen Zahnarzt hält.

Letzte Lockerung

Der Aston Martin transportiert Schönheit und Charakter, manchmal auch nur Menschen.
Foto: Rudolf Skarics

So pflanzte sich vor unserem Wagen ein Vater mit seinem Sohn auf, sie baten um Audienz. Der Sohn referierte aus dem Gedächtnis die Leistungsdaten des DBS, fehlerfrei. Der Vater bat schließlich um Ausbildungstipps für den Buben. Am Höhepunkt der Karriere sollte ein Aston Martin stehen. Wir empfahlen eine innovative Erfindung, die Ehelichung einer reichen Frau oder alternativ den Weg eines Hochstaplers: Auch als testfahrender Zeitungsredakteur komme man gelegentlich in die Verlegenheit, einen Aston anlassen zu dürfen – die gut erträgliche Leichtigkeit des Scheins.

Die Kontaktsuche der arbeitenden Bevölkerung hat aber durchaus auch Nachteile: In Italien wurde der Aston Martin im Stundentakt an die Seite gewunken: Beamte der Carabinieri, der Polizia Stradale, der Guardia di Finanza oder der Polizia di Stato schmiegten sich abwechselnd wie brunftige Hunde an den Wagen. Beanstandungen gab es keine.

Aston Martin ist die Marke, die zum Auto auch den Mythos und ein Lebensgefühl liefert, das ist nicht nur 007, das sind Stil und Anmut, Eleganz und Charakter, Schnelligkeit und Schönheit. Oder haben Sie jemals einen hässlichen Menschen in einem Aston Martin gesehen? (Michael Völker, Automobil, DER STANDARD, 25.5.2012)