Bild nicht mehr verfügbar.

Das von der Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (rechts) und ihrer Kollegin Maria Fekter unterzeichnete Steuerabkommen stößt auf verfassungsrechtliche Bedenken.

Foto: Reuters

Wien - Wenn Steuersünder mit dem Schweizer Abkommen bessergestellt werden als ehrliche Bürger, stellt sich die Frage der Verfassungskonformität des Vertrags. Diese ist bereits von der Opposition und einigen Experten angezweifelt worden, nun liegt die erste umfassende Beurteilung vor. Karl-Werner Fellner, früher Richter am Verwaltungsgerichtshof, kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Das Abkommen ist in seinen Augen verfassungswidrig.

Dass eine Ungleichbehandlung geschaffen wird, liegt für Fellner in der Natur der Sache: Jede Amnestie benachteilige rechtstreue Personen. Das habe der Verfassungsgerichtshof auch bei der Aufhebung der Legalisierung von Schwarzbauten festgestellt. Somit komme es darauf an, ob eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung vorliege. Diese könnte im Falle des Steuerabkommens beispielsweise sein, dass Abgabenhinterzieher in die Legalität geholt werden. Nachlässe für die Vergangenheit könnten künftig mehr Gerechtigkeit bringen.

Kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz

Doch nach tiefem Blick in den Vertragstext findet der Experte keinerlei Hinweis auf Aspekte, die einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz rechtfertigen könnten. Im Gegenteil: So existiert etwa keine Verpflichtung zur Offenlegung und dazu, in der Schweiz gebunkerte Gelder nach Österreich zu transferieren. Die Vermögen können ja nach einer Pauschalabgeltung weiter in der Schweiz bleiben. Fellner in der Fachpublikation Recht der Wirtschaft: "Die bei Amnestieregelungen unübliche Wahrung der Anonymität des Betroffenen und der Umstand, dass keine Verpflichtung zur Repatriierung der Vermögenswerte besteht, stehen einer sachlichen Rechtfertigung des Abkommens entgegen."

Der Fachmann verweist in diesem Zusammenhang ferner darauf, dass Vermögen zunächst aus der Schweiz abgezogen werden könnten, um sie nach Ablauf der für die Abschlagszahlung fixierten Frist wieder ins Nachbarland zurück zu transferieren. "Eine durch die Steueramnestie bewirkte Besserstellung ist aber unsachlich, wenn sie auch in die Zukunft wirken würde." In dieses Bild passt für Fellner auch, dass Bern Wien nicht darüber informieren wird, welche Personen welche Depots rechtzeitig in welche Steueroasen überführen, um der Abschlagszahlung zu entgehen. Überdies fehlten entsprechende Kontrollsysteme für die Entrichtung der Steuer.

System soll unverändert bleiben

Unter dem Strich wollten die Schweiz und Österreich das bisherige System unverändert beibehalten, meint Fellner: "Beide Vertragsstaaten halten - entgegen den ausdrücklichen Intentionen von 25 Mitgliedsländern der Europäischen Union - weiterhin am Bankgeheimnis fest und verhindern damit einen europaweiten Informationsaustausch." Anstatt der Verhinderung von Steuerhinterziehung stünden bei dem Abkommen Einmaleinnahmen im Zentrum. Das reine Budgetinteresse des Staates sei aber keine ausreichende Rechtfertigung für eine Verfassungswidrigkeit, heißt es in dem Kommentar. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 24.5.2012)