Sich aufblasen, an Körperlichkeit gewinnen: "Growth (Mud)" von Angela de la Cruz.

Foto: Galerie Krinzinger

Wien - Der Quader ist an seinen Kanten aufgeplatzt. Das schwarz glänzende, mannshohe Objekt aus bemaltem Aluminium ist aufgebläht und verbeult, als hätte eine unsichtbare Energie darin gewütet ("Bloated (Mud)", 2012). Die das Metall verformenden Beulen verleihen den Objekten von Angela de la Cruz, die derzeit in der Galerie Krinzinger zu sehen sind, eine körperliche, geradezu lebendige Dimension. Auch die beiden im Format kompakteren Aluminiumquader ("Battered (Mud)", 2012) erscheinen mit ihren Ausbuchtungen trotz unverhohlener Geometrie antropomorph und sinnlich.

Eine Sinnlichkeit, die allerdings auch verletzlich macht: Die Arbeiten der 1965 geborenen, in London lebenden Künstlerin sehen so ramponiert aus, als hätte man sie hinter einem Auto hergeschleift. An den Ecken ist die Farbe regelrecht abgewetzt. Trotzdem bewahren ihre Objekte - Hybride zwischen Skulptur und monochromer Malerei - Contenance. Balance gibt die Mauer - eine Kavalierin in der Not. Die Wand sieht auch die Künstlerin selbst als physische Stütze, zum "Anklammern". Anders ein Stapel blauer Sessel ("Flood (small)", 2012), der umgeworfen im "Dreck" - symbolisiert durch ein Zementbett - liegt: Man kommt nicht umhin, dabei an Angela de la Cruz selbst zu denken. 2004 erlitt die Künstlerin ein Aneurysma und sitzt seither im Rollstuhl.

"Die Balance verlieren und zurückerlangen, erneuerte meine Vorstellung von der Objekthaftigkeit des Körpers und davon, wie er räumlich funktioniert", sagte Angela de la Cruz 2006 in einem Interview. Körperbezogen waren ihre Werke aber bereits, bevor ihr Handicap sie dazu zwang, Assistenten die geradezu gewalttätigen Manipulationen an den Arbeiten durchführen zu lassen.

Das Zerstören der Leinwand hat aber nichts mit ihrem Schicksalsschlag zu tun: Schon Ende der 1990er-Jahre begann Cruz ihre monochrome Malerei zu dekonstruieren, zerbrach die Keilrahmen: Die Leinwand fiel und faltete sich zusammen oder wurde gar in Raumecken geknäult. Rund um das Jahr 2000 wird es objekthafter: Da begann sie die Leinwände an alltägliche Objekte - Mobiliar - zu heften. Oft hatten ihre Arbeiten menschliche Dimensionen. So auch einige aktuelle Bilder. Diese sind genau 123 Zentimeter hoch: Das entspricht der Größe der Künstlerin in ihrem Rollstuhl. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 24.5.2012)