Wien - Vor zunehmender Politikverdrossenheit und einem "Eklat" im Parlament warnte der Industrielle und Ex-Finanzminister Hannes Androsch, wenn die Forderungen des von ihm im Vorjahr initiierten Bildungsvolksbegehrens ignoriert oder nur in "Wischiwaschi-Form" umgesetzt würden. Dies sei nicht zuletzt eine Frage des Selbstverständnisses der Parlamentarier: "Sind das frei gewählte, nur ihrem Gewissen verantwortliche Abgeordnete oder weisungsgesteuerte Marionetten?", fragte Androsch bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Das Volksbegehren hatte Mitte November mit gut 383.000 Unterschriften und einer Beteiligung von 6,07 Prozent die 100.000er-Hürde für eine Behandlung im Parlament genommen. Gefordert wird unter anderem die Ganztagsschule als Regelschule, ein flächendeckendes Angebot an ganztägigen elementarpädagogischen Einrichtungen (Krippen, Kindergärten) in Bundeskompetenz sowie eine gemeinsame Schule. Ende Jänner konstituierte sich ein Sonderausschuss im Parlament, nach drei Sitzungen steht Ende Mai ein abschließendes Treffen auf dem Programm.

"Riesige Blamage"

"Angenehmst überrascht" zeigte sich Androsch von der Aufnahme der Volksbegehren-Forderungen und deren Behandlung im Sonderausschuss, wo es einen breiten Konsens gegeben habe. Die Frage sei nun, ob sich dies auch in konkreten Initiativen bzw. deren Abstimmung niederschlage. Nicht gefallen lassen will sich Androsch "eine Wischiwaschi-Sache mit einer Empfehlung an die Regierung, einer Entschließung hier und vielleicht einer Enquete da". Das wäre auch eine "riesige Blamage für die Abgeordneten des Hohen Hauses".

Folge wäre "ein Eklat in der Plenarsitzung, weil sich die Oppositionsparteien die Gelegenheit gar nicht entgehen lassen können", so Androsch. Außerdem würde der Bildungsbereich im nächsten Jahr dann "natürlich ein massives Wahlkampfthema". Auch die Volksbegehrens-Initiatoren wollen "weiter Aufmerksamkeit erregen", wenn im Parlament nichts herauskommt. In Richtung ÖVP-Chef Michael Spindelegger meinte Androsch, dass er sich mit dessen Umfragewerten durch eine Torpedierung der Bildungsinitiative nicht zusätzliche Unbilden einhandeln würde - Druck will er aber auf alle Parteien ausüben.

Generell sah der ÖVP-Bildungsexperte und Volksbegehrens-Mitinitiator Bernd Schilcher die Front gegen die Forderungen der Initiative bröckeln. Es seien eigentlich nur mehr die im Dahinschwinden begriffenen ÖVP-Kernschichten, die vor allem im Schulbereich auf Blockade setzten. Dabei handle es sich im Großen und Ganzen um das Bildungsbürgertum - dieses werde aber "wie bei der SPÖ die Linken, die gegen Studiengebühren sind und gegen Studienplatzbewirtschaftung, immer kleiner".

Initiatoren sehen Erfolg

Überzeugt sind die Proponenten des Begehrens jedenfalls vom bisherigen Erfolg ihrer Initiative: Die Unternehmensberaterin Gundi Wentner führte ins Treffen, dass das Volksbegehren einen "sehr langen Text, für den man sinnerfassend lesen können muss" beinhaltete. Man habe auch nicht so leicht sagen können, dass man dafür oder dagegen sei. (APA, 23.5.2012)