Katzen können Verletzungen gut kompensieren. Ein Röntgenbild ist für Tierärzte daher ein wichtiger Anhaltspunkt.

Röntgenaufnahmen: Tierklinik Breitensee

Lange Zeit wurde das Thema Orthopädie bei Katzen in der Veterinärmedizin stiefmütterlich behandelt.

Foto: jus/derStandard.at

Dabei haben Katzen einige anatomische Besonderheiten und rund 40 Knochen mehr als der Mensch.

Röntgenaufnahmen: Tierklinik Breitensee

Die Chirurgen arbeiten zum Beispiel mit Zugschrauben, Pins und Verplattungen, um die Knochen wieder optimal zusammenwachsen zu lassen.

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Fachtierärztin Susan Grimminger, die sich auf orthopädische Chirurgie bei Katzen spezialisiert hat, schwört bei vielen Brüchen auf den "Fixateur extern".

Röntgenaufnahmen: Tierklinik Breitensee

Diese Verdrahtung sieht drastisch aus, hat aber viele Vorteile, zum Beispiel keine Einschränkung bei der Durchblutung.

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Sobald das warme Frühlingswetter nach Österreich kommt, herrscht wieder Hochbetrieb bei orthopädischen Tierchirurgen. Denn einem verspielten Raubtier werden die geöffneten und ungesicherten Fenster oft zum Verhängnis. Ein Trauma ist die häufigste Ursache für orthopädische Probleme bei der Katze. Es liegt jedoch in ihrem Wesen, funktionale Schäden zu kompensieren, und daher kann sie auch Schmerzen lange Zeit verstecken.

So kann es passieren, dass eine Katze nach einer Verletzung keine Lahmheit zeigt, sondern einfach nur ruhiger wird. Tierchirurgin Susan Grimminger widmete sich aus diesem Grund in ihrem Vortragsabend in der Tierklinik Breitensee im 14. Wiener Gemeindebezirk dem "vergessenen orthopädischen Patienten".

"Die Katze ist das beliebteste Haustier. Aber es gibt über sie deutlich weniger Fachliteratur als über den Hund", sagt Grimminger. Und das, obwohl die Samtpfoten einige anatomische Besonderheiten aufweisen. Lange Zeit habe es auch keine passenden Implantate gegeben, die für die filigranen Knochen des kleinen Raubtiers geeignet sind. "Mittlerweile setzt sich zumindest schon die Erkenntnis durch, dass die Katze kein kleiner Hund ist", sagt die Fachtierärztin.

Ein Blick auf das Katzenskelett

Eine Katze verfügt über etwa 40 Knochen mehr als ein Mensch. Das liegt vor allem am Katzenschwanz. Die Tiere haben ein stabiles Skelett, das jedoch sehr elastisch und beweglich gebaut ist. Auch die Wirbelsäule macht sie für die Jagd wendig: Zwischenwirbelscheiben tragen zur Gesamtlänge der Wirbelsäule 20 Prozent bei, was sich in der typischen katzenhaften Beweglichkeit äußert. Gut zu beobachten ist das an einer Katze, die sich geschmeidig um alle Hindernisse eines gedeckten Tisches schlängelt, ohne nur ein einziges Glas umzuwerfen.

Die Schulterblätter sind lediglich durch Muskeln und Bänder mit der Wirbelsäule verbunden. Die Schlüsselbeine sind bei der Katze noch als kleiner, in die Muskulatur eingebetteter Knochen vorhanden. Ebenso ist die Beweglichkeit zwischen Elle und Speiche beachtlich. Die Pronation, also die Einwärtsdrehung der Gliedmaßen, und die Supination, die Auswärtsdrehung, betragen jeweils 90 Grad und damit deutlich mehr als etwa bei einem Hund.

Katzen bewegen sich auf Zehenspitzen, das bedeutet, dass Mittelfuß und Fersenbein keinen Bodenkontakt haben. Praktisch ist, dass das vordere (kraniale) Kreuzband sehr stark gebaut ist und es dadurch sehr selten zu einem Kreuzbandriss kommt. Bei Hunden ist das die häufigste orthopädische Erkrankung, wie Grimminger hinweist.

Geduld für den eigenwilligen Patienten

Auch Katzen, die unter einen Rasenmäher kommen, müssen ab Frühlingsbeginn wieder in der Tierklinik Breitensee behandelt werden. Offene Brüche sehen besonders drastisch aus, trotzdem ist es wichtig, vorab den Allgemeinzustand des Tieres abzuklären. Atmung und Herzschlag müssen stimmen, bevor eine Narkose gesetzt werden darf. Außerdem könnte eine weitere Verletzung übersehen werden. "Die Tierbesitzer sind natürlich geschockt und verstehen manchmal nicht, warum wir zuerst einmal alles, nur nicht den Bruch untersuchen", berichtet Grimminger.

Bei der Untersuchung einer Katze, deren Verletzung nicht gleich ins Auge springt, sind vor allem Ruhe und Geduld gefragt, erzählt die Fachtierärztin. Denn die eigenwilligen Tiere zeichnen sich nur selten durch Kooperationsbereitschaft aus. Oft sei es schwierig zu beurteilen, ob eine herbeigeführte Bewegung der Gliedmaßen der Katze Schmerzen bereitet oder sie einfach nur die Geduld an der Prozedur verliert. Daher soll der Tierarzt mehrmals die gleiche Bewegung wiederholen und die Reaktion des tierischen Patienten genau beobachten.

Genauso schwierig wird es, wenn man die Bewegungen einer Katze beurteilen will. Denn nimmt man sie aus der Transportkiste, sitzt sie für gewöhnlich erst einmal regungslos auf dem Boden im Behandlungsraum und versucht, die Umgebung und die Situation abzuklären. "Später läuft sie meist geduckt und flach weg", berichtet die Tierärztin.

Verdrahtetes Katzenbein

Eine Operation kann auf den ersten Blick recht teuer erscheinen. Doch Grimminger warnt in vielen Fällen davor, aus Kostengründen darauf zu verzichten und das Bein "konservativ" zu behandeln, also einen Gips anzulegen. "Zum einen wachsen die Knochen selten korrekt zusammen. Zum anderen erreicht man mit dem häufigen Wechsel des Verbands und vielleicht auch einer Narkose, da sich die Katze wehrt, bald denselben Betrag." Ein Gips muss regelmäßig gewechselt werden und birgt die Gefahr von Druckstellen, die unter Umständen sehr langwierig in ihrer Behandlung sein können.

Bei einer Operation am Skelett arbeiten die Tierchirurgen dann wie bei menschlichen Patienten zum Beispiel mit Kreuzspicken, Zugschrauben, Pins und Verplattungen. Gerne setzt Grimminger auch einen "Fixateur extern" ein. Auf den ersten Blick wirkt die Konstruktion für Katzenbesitzer erschreckend. Diese Kombination aus Draht, Stab und Nägeln wird in die Knochenbruchstücke eingesetzt und außerhalb des Körpers verbunden. Die Tierärzte können die Konstruktion individuell anpassen. Durch diesen Rahmen wird der gebrochene Knochen fixiert und dadurch gezwungen, korrekt zusammenzuwachsen.

Anders als intern fest verschraubte Platten behindert der Fixateur extern die Durchblutung nicht. Der chirurgische Eingriff führt zwangsläufig zur Mobilisation und Manipulation am Weichteilgewebe. Behandlungen von offenen Knochenbrüchen, bei denen eine Spülung von infiziertem Gewebe nötig ist, sind überhaupt nur so möglich. Grimminger berichtet, dass Katzen mit diesem "Fremdkörper", den sie einige Wochen tragen müssen, meist auch erstaunlich gut zurechtkommen. (Julia Schilly, derStandard.at, 29.5.2012)