Lukas zeigt sich vor dem Semifinale im Pressezentrum und freut sich über ein T-Shirt-Geschenk eines britischen Fans.

Foto: Marco Schreuder

Das erste Semifinale beginnt und die Fans schwingen Fahnen.

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Medienauflauf, als sich die Trackshittaz den Fragen stellen. Manuel nach Kreuzbandriss im Rollstuhl.

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Lukas Plöchl nach dem Ausscheiden.

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Dafür überraschten die Ungarn. Moldawien mausert sich langsam zum Favoriten. Und dass Nachbarn sich Punkte zuschieben ist kulturell und nicht politisch bedingt.

Die Topfavoriten und -favoritinnen des ersten Seminfinales konnten sich durchsetzen: die russischen Babushkis. Das war ebenso klar wie das Aufsteigen Irlands, Islands, Rumäniens und Moldawiens. Diese fünf Beiträge galten hier in Baku von Anfang an als sicher. Bei den Beiträgen Griechenlands und Zyperns wurde im Vorfeld durchaus diskutiert, ob sie sich - außer den zu erwartenden gegenseitigen zwölf Punkten - auch Punkte wegnehmen könnten, weil ähnliches Zielpublikum. Sie stiegen aber beide auf, was ohnehin die wahrscheinlichste Variante war.

Moldawien steigert sich

Der Beitrag Moldawiens überzeugt auch das Publikum von Tag zu Tag mehr. Langsam entwickelt sich Pasha Parfeny zum Geheimfavorit für einen Topplatz im Finale. Seine Performance ist fröhlich, wirkt dabei aber nie gekünstelt und hat eine sehr eingängige Melodie.

Die Wackelkandidaten

Die dänische Sängerin Soluna Samay galt nur für mich als Wackelkandidatin, und ich irrte mich. Rumänien und Albanien polarisierten mindestens so sehr wie Österreich. Man hasste es, oder man liebte es. Auch Israel und die Schweiz galten als mögliche, aber gefährdete Aufsteiger. Am Ende reichte es für diese beiden Beiträge nicht. Dass jedoch wider Erwarten Ungarn aufstieg, freut. Damit rechnete kaum jemand.

Trackshittaz verletzt

Geknickt zeigten sich die Trackshittaz nach dem Semifinale. Lukas ist bekanntlich ein sehr ehrgeiziger junger Mann. "Aber wir sind stark. Beim Fitnesstraining setzt man Schmerzreize, damit der Muskel wächst." Und nun seien eben die Trackshittaz niedergeschlagen, woraus sie gewachsen hervorgehen würden.

Manuel, der eigentliche musikalische Mastermind der Trackshittaz, musste sich im Rollstuhl den Fragen der Medien stellen. Während seines Bühnenauftritts gab es eine kleine sichtbare Panne (er schlug versehentlich die Kappe vom eigenen Kopf) und eine weniger sichtbare, aber große: Sein Kreuzbandriss machte sich bemerkbar und einen erheblichen Teil seines Auftritts absolvierte er unter heftigen Schmerzen. "Vermutlich passierte es an der Stange", meinte er nachher.

ORF macht weiter

Der ORF gilt in der Eurovisionsfamilie als unberechenbare Diva. Einmal dabei, dann pausieren sie wieder mal beleidigt im Schmollwinkel. So etwa nach dem Beitrag Eric Papilayas 2007. Es gibt aber Signale, dass es weitergeht. Edgar Böhm sagte mir nach der Show: "Die Jahresplanung 2013 wird erst gemacht, aber der Song Contest wird weiter eine Rolle spielen. Die Zusammenarbeit mit Ö3 klappt ja auch ganz hervorragend."

Fazit für einen zukünftigen österreichischen Beitrag

Ich habe, ehrlich gesagt, mit einem Ausscheiden der Trackshittaz gerechnet. Bei der österreichischen Vorausscheidung rief ich für Conchita Wurst an, war mir aber auch bei ihrem Beitrag sicher, dass es schwer werden würde, das Finale zu erreichen.

Es gab nur einen einzigen Beitrag, den ich zum Zeitpunkt der Präsentation der Lieder Anfang 2012 eine Chance gab aufzusteigen. Ein Lied, so dachte ich mir damals, hat das Zeug dazu, ganz Europa zu gefallen. Das war "Crazy Swing" von Deladap. Umso trauriger war ich, als der Beitrag disqualifiziert werden musste, weil er früher als erlaubt bei einem Konzert in Odessa mitgeschnitten und auf Youtube gepostet wurde. Das Ersatzlied hatte bei weitem nicht die Kraft von "Crazy Swing".

Meine Empfehlung für den ORF daher: Macht es bitte ähnlich wie die Schweden! Lasst die Telefonvotings nur zu 50 Prozent zählen, setzt dafür aber internationale Jurys aus mehreren europäischen Ländern ein!

Der Mythos des Punktezuschiebens

Mit einem oft geäußerten Vorwurf in Medien und Internetforen möchte ich hier aufräumen: der Punktevergabe (die wir für dieses Semifinale erst nach dem Finale erfahren werden). Diese sei politisch und es gehe gar nicht um die Lieder. Das ist - mit Verlaub - Unsinn.

Vielmehr hat das mit kulturgeschichtlichen Zusammenhängen zu tun. Norwegische InterpretInnen sind logischerweise in Schweden oder Dänemark schnell Stars, während sich Portugal dafür wenig interessieren wird. Eine ukrainische Sängerin wird eher russische als französische Charts erobern, und einen Sänger, der in Bosnien berühmt wird, den kennt man dann auch in Kroatien und Serbien, in Island allerdings nicht.

Dass Österreich es nicht schafft, eine Art "mitteleuropäischen Block" etwa mit der Slowakei, Ungarn, Deutschland und der Schweiz zu bilden, sagt mehr über Österreich, den ORF und den heimischen Musikmarkt aus als über Ungerechtigkeiten beim Eurovision Song Contest. Pech war natürlich auch, dass Deutschland - der wohl einzige Markt, der für eine Karriere der Trackshittaz interessant wäre - beim ersten Seminfinale nicht stimmberechtigt war. 2011 klappte ja zumindest diese Achse. (Marco Schreuder, derStandard.at, 23.5.2012)