Man kann sich weniger sensible Forschungsgebiete vorstellen als jenes von Axel Börsch-Supan. Der studierte Volkswirtschafter und Mathematiker arbeitet an der Schnittstelle von Demografie und Ökonomie - ein Gebiet also, das unmittelbar das politische Alltagsgeschäft betrifft.

2003 hatte er ausreichend Gelegenheit, seine Erkenntnisse in die Praxis einfließen zu lassen: Damals leitete er die Rentenreformgruppe der deutschen Nachhaltigkeits-("Rürup"-)Kommission. Die Arbeit war sachlich, erinnert sich Börsch-Supan. "Man erliegt nur dann der Versuchung der Ideologie, wenn man keine Daten hat."

Um genau das zu ändern, hat Börsch-Supan die sogenannte Share-Survey initiiert (Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe). Share ist eine Datensammlung, die demografische Informationen mit Daten zu Gesundheit, Sozialem und Lebenszufriedenheit verknüpft. Auch Österreich beteiligt sich mit Unterstützung des Wissenschafts- und des Sozialministeriums an dem seit acht Jahren laufenden EU-Projekt.

Durch den internationalen Vergleich können die gesellschaftlichen Wirkungen politischer Maßnahmen überprüft werden, also etwa, ob die Leute gesünder oder kränker werden, wenn sie länger arbeiten, ob sie glücklicher oder unglücklicher sind. In den USA werden entsprechende Umfragen bereits seit 17 Jahren gemacht - wo die Alterung der amerikanischen Bevölkerung viel weniger einschneidend ist als die der europäischen, wie Börsch-Supan betont.

Mittlerweile gibt es auch Ableger des Umfrageprojekts in den aufstrebenden Wirtschaftsmächten China und Indien. Sie zeigen auf, dass auch die Volkswirtschaften im Fernen Osten auf Hürden zusteuern. China ist im Schnitt ("Medianalter") etwa zehn Jahre jünger als die europäischen Nationen, doch die chinesische Gesellschaft altert noch schneller, als es Europa tut. "China wird in den nächsten Jahren demografische Probleme bekommen", prognostiziert Börsch-Supan. Ein bemerkenswertes Detail: Die Kulturrevolution hat sich der chinesischen Bevölkerungspyramide eingeprägt wie die beiden Weltkriege im Westen: Schätzungen zufolge starben allein in den 50er-Jahren 40 Millionen Menschen.

Die Inder sind im Schnitt noch einmal um zehn Jahre jünger, haben allerdings ihre "demografische Dividende", also die Steigerung der Produktivität durch viele junge Arbeitnehmer, in den Sand gesetzt. Der Grund: Die junge Generation wurde nicht gut genug ausgebildet. Mittlerweile steigt die Arbeitslosigkeit in Indien, besonders die Jüngeren finden keine Jobs mehr. (cz, DER STANDARD, 23.5.2012)