Hochgefühle sind durchaus drin, wenn sich SkaterInnen und RadfahrerInnen tagsüber stark frequentierte Straßen nachts erobern

"Wer hat Lust nächsten Freitag auf Friday-Night-Skating?" - "In knapp zwei Stunden geht's los." - "Heute endlich dabei! Voll geil. Los geht's." So oder ähnlich wird vor der wöchentlichen angemeldeten Demonstration für alternative Mobilität der Wiener Grünen auf Facebook gepostet.

Foto: florianspielauer.at

"Die Stadt gehört uns", lautet das Motto des Friday-Night-Skating. Eingeladen ist jeder, der Lust darauf hat, sie für ein paar Stunden anders als mit dem Auto in Besitz zu nehmen. Jede Woche lassen sich die Veranstalter eine andere Route einfallen. Dieses Mal, am 18. Mai, steht "Inselhopping" in den 2. und 20. Bezirk auf dem Programm.

Pünktlich geht's los. Zuerst durch das Äußere Burgtor, dann rechts den Ring entlang. 17 Kilometer gilt es heute zu bewältigen.

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Die Rollings Guards helfen dabei, die Kfz hinter der Linie zu halten, und sorgen gemeinsam mit der Polizei für Ordnung und Sicherheit. Der motorisierte Verkehr wird gestoppt, grüne Welle für die Skater und Radfahrer. Skateboards sind übrigens nicht zugelassen, dafür sieht man da und dort ein paar Jogger. Immer wieder heißt es: "Alle Radfahrer rechts fahren!" Manchmal etwas schwierig umzusetzen, wenn gleichzeitig auch die meisten Skater auf der rechten Fahrbahn unterwegs sind.

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Ein Motor ist nur an der Spitze gefragt: Das Friday-Night-Skating-Frontfahrzeug führt den Zug der Skater und Radler an. Seit vergangenem Jahr zum coolen Sound von Lounge FM 103,2 mit 1.000 Watt pro Box und eigener Stromversorgung.

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Zuerst geht's rechter Hand am Parlament vorbei, dann am Rathausplatz, dem gerade der letzte Schliff für den Life Ball am nächsten Tag verpasst wird.

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Von Beginn an - seit 1999 - begleiten die Rolling Guards die Veranstaltung. Mit 28 Personen auf Inlineskates hat alles angefangen. Unter den Teilnehmern der ersten Stunde waren Eva Glawischnig und Christoph Chorherr. Nach wie vor sind mehr Skater als Radfahrer mit von der Partie, doch der Radanteil nimmt von Jahr zu Jahr zu und liegt heute bei einem Drittel.

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Die Routen planen die Wiener Grünen gemeinsam mit den Guards. Mehr als hundert sind es zurzeit, und jährlich kommen ein paar neue dazu. Keine Schienenstraßen und ein möglichst breiter Straßenquerschnitt, lauten die Vorgaben. Eine Woche vorher wird die jeweilige Route dem Verkehrsamt bekanntgegeben.

Kurz vor dem Donaukanal heißt es kurz "Stopp".

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Perfekte Logistik ist gefragt, gilt es doch, den motorisierten Verkehr möglichst kurz zum Stillstand zu bringen und die öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu blockieren.

Paradiesische Zustände: Fahrgäste winken freundlich aus dem D-Wagen, Radler klingeln fröhlich zurück.

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Beim Ringturm führt der Weg nach rechts den Donaukanal entlang - allerdings nicht, wie gewohnt, unten am Radweg, sondern mitten auf der üblicherweise vom Autoverkehr stark frequentierten Dampfschiffstraße. Ein durchaus erhebendes Gefühl.

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Dann geht's über die Franzensbrücke zum Praterstern. Bei flotten zehn km/h Fahrtschwindigkeit rückt das nächtliche Riesenrad ins Bild. Eine Gruppe Touristen wartet am Straßenrand vor dem Zebrastreifen und spendet den Skatern und Radlern Applaus. Als Dank gibt's ein Klingelkonzert. Das zweite an diesem Abend.

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Natürlich erntet die nichtmotorisierte Vereinnahmung der Straße auch Unmut: "Sch... Radler", schallt es aus einem Autofenster. Der Fahrer muss den Tross abwarten und ist mit seiner Geduld am Ende. "Es gibt immer ein paar wenige Autofahrer, die sich aufregen", sieht Veranstalter Gerhard Ladstätter die Sache mit Gelassenheit. Einmal sei ein Rolling Guard allerdings auf einer Motorhaube gelandet, weil ein Autolenker partout die Absperrung nicht akzeptiert habe. Die Angelegenheit ist für den Guard glimpflich ausgegangen.

Die Lasallestraße endet, am Ende erhebt sich die Reichsbrücke. Rechts daran vorbei biegt man in den Handelskai ein.

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Blick auf den Millennium-Tower und wieder ein kurzer Stopp.

So friedlich Skater, Radler, Guards, Polizisten, Passanten und Autolenker heute großteils agieren, so schwierig war der Weg dorthin: Beim hundertsten Friday-Night-Skating 2005 bestand die Polizei darauf, dass sich alle im Schritttempo bewegen, weil es partout in der Natur einer Demonstration liegt, sich im Schritttempo fortzubewegen - derStandard.at berichtete.

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Nach dieser Aktion wurde das Friday-Night-Skating als "Demonstration für urbane Mobilität" ausjudiziert, und heute herrscht bestes Einvernehmen mit der Polizei, in deren Reihen sich auch begeisterte Skater und Radler finden.

Mehr als 1.200 Personen waren bei der ersten Ausfahrt dieser 14. Saison am 11. Mai dabei, knapp über tausend sind es eine Woche später. "Es ist ganz einfach", erklärt Gerhard Ladstätter die ständig wachsende Teilnehmerzahl am Friday-Night-Skating.

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"Es ist ein offenes Treffen und läuft völlig unverbindlich. Du fährst mit oder fährst nicht mit, Zeit und Ort sind leicht zu merken: Freitag, 21 Uhr am Heldenplatz", berichtet Ladstätter über den spontanen Charakter der Demo. Natürlich handelt es sich um eine Parteiveranstaltung der Wiener Grünen, "aber politisch niederagiert wird niemand", betont der Veranstalter.

Über die Adalbert-Stifter-Straße führt die Route weiter auf den Döblinger Gürtel.

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Dann biegt der Tross an der Ecke Nussdorfer Straße kurz auf den Inneren Gürtel. Über die Brigittenauer Lände und die Türkenstraße führt der Weg zurück. Im Gedränge gehen Skater und Radler manchmal auf Tuchfühlung, doch es fällt kein böses Wort - im Gegenteil: "Ah, kuscheln!", rufen zwei Skater, von denen der eine scheinbar zum ersten Mal auf Rollen unterwegs ist. 

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Der Anfang ist das Ziel, und nach knapp zwei Stunden ist man wieder auf dem Heldenplatz angekommen. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 27.5.2012)

Infos und Routen 2012

wien.gruene.at/skater

Abfahrt: Jeden Freitag, 21 Uhr am Heldenplatz

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