Caitlin Moran: "How to be a woman. Wie ich lernte, eine Frau zu sein".
Aus dem Englischen von Susanne Reinker
ISBN: 978-3-550-08002-9

Cover: Ullstein Verlag

Die britische Ausgabe ziert Autorin Caitlin Moran am Cover.

Cover: Harper Perennial

Für alle Frauen, die sich nicht sicher sind, ob sie Feministinnen sind oder nicht, hat Caitlin Moran einen kurzen Selbsttest parat. Er lautet: Erforschen Sie mit der Hand das Innere ihrer Unterhose, und beantworten Sie die folgenden Fragen: a) haben Sie eine Vagina? b) Möchten Sie selbst über Sie bestimmen?

Beide Fragen mit ja beantwortet? Herzlichen Glückwunsch! Sie sind eine Feministin! Formspiele wie diese entlehnt die britische Journalistin Caitlin Moran aus der ihr so vertrauten Frauenmagazin-Welt, um ein paar Dinge klarzustellen für Mädchen und Frauen, die sonst nicht mit Feminismus in Berührung kommen.

Kalkuliert bodenständig

Ihre Message lautet: Höre auf deinen Körper und auf die Erfahrungen, die er macht, und schon wirst du auf den richtigen Weg geführt. Mit diesen im besten Sinn bodenständigen Thesen hat es ihr autobiographisch angehauchtes Sachbuch "How to be a woman" 2011 zum Überraschungserfolg in ihrer britischen Heimat geschafft. Diesen Frühling erscheint es gleichzeitig in mehreren Sprachen und in ihrer Heimat als günstigstes Taschenbuch, das jemals auf dem Markt kam.

Und genau zwischen die Frauenmagazine und Buchstände der Supermärkte will Moran hin, das betont sie in Interviews immer wieder. Sie hat genug vom "akademischen Feminismus" und seinen theoretischen Problemen. Ihr geht es darum, Frauen beim "Frauwerden" beizustehen.

Die 37-Jährige ist in der britischen Medienszene keine Unbekannte. Bereits als Teenager schrieb sie ihren ersten Roman, um "Geld zu verdienen", wie sie später erklärte, und schrieb als Kritikerin für den "Melody Maker". Heute arbeitet die Mutter von zwei Kindern als preisgekrönte Kolumnistin für die Times.

Klassenbewusste Heldin

Dabei hätte ihre Herkunft nach allgemeinen Vorstellungen eigentlich einen anderen beruflichen Werdegang vorhergesagt. Moran wuchs als erstes von acht Kindern in einer weißen Arbeiterklasse-Familie in Mittelengland auf - übergewichtig, arm und ohne FreundInnen. Ihre Bildung holte sie sich aus der öffentlichen Bibliothek, wo sie ab 13 Jahren auch Erwachsenen-Literatur ausborgen durfte. Ihren Alltag schildert sie in "How to be a woman" als eine Abfolge von Selbstbefriedigung, Streiten mit ihren Geschwistern und dem Verschlingen von Literatur, gerne auch pornografischer.

Wie es sich für eine Britin gehört, hat Moran ihre Herkunft aber nicht vergessen, auch wenn sie sich heute längst teure Klamotten leisten kann. So beschreibt sie brüllend komisch im Kapitel "Ich entdecke die Welt der Mode", wie ihre selbst aufgezwungene Suche nach einer teuren Designer-Handtasche bei einer Marc Jabobs Einkaufstasche für 19 Pfund mündet - für die Autorin nur ein weiteres Indiz, dass sie ihre bescheidene Herkunft eben nicht verleugnen kann.

Aufrichtiger Austausch über Erfahrungen

Weiters erfährt frau in dem Buch, wie sie ihre erste Menstruation überlebte, wie schwierig es war, für ihre Brüste einen passenden Namen zu finden und warum sie nach einer kurzen Experimentalphase der Körperenthaarung abschwor. Auch an der traumatischen Geburtserfahrung mit ihrer ersten Tochter lässt sie die LeserInnen teilhaben (deshalb an dieser Stelle eine Warnung an unsere schwangeren Leserinnen: bitte erst nach der Geburt lesen). Moran ist der Ansicht, dass sich Frauen heute zu wenig ehrlich darüber austauschen, wie es ist, eine Frau zu sein. Hier gibt es offenbar einiges nachzuholen.

Der Kampfplatz der heute 37-jährigen ehemaligen Musikjournalistin ist die Alltagskultur, in der sie vergleichbar "fatale Folgen" für das persönliche Wohlgefühl von Frauen ortet. Die Reduktion von Frauen auf enthaarte Körperteile, "Traumkörper" und "IT-Girls" in den Medien würde den Verstand von Frauen besetzen und sie davon abhalten, der Boss im eigenen Leben zu sein. So gesehen versteht sie ihr Buch auch als "Nulltoleranzstrategie" gegen Sexismus, ob in der Arbeitswelt, im gemeinsamen Bett oder in der Klatschpresse.

Zick-Zack-Haltung

Ihre Positionen vertritt sie dabei wortgewaltig und sehr mitreißend, obwohl sie mit ihrem Wunsch, eine einfache und stringente Haltung in allen Fragen des alltäglichen Lebens zu präsentieren, auch gelegentlich schlittert. Warum sind nochmal Strip-Clubs abzulehnen, aber Table-Dance-Kurse für Frauen in Ordnung, einfach weil es Spaß macht? Manchmal begnügt sich Moran eben mit einem einfachen "Ist das alles unlogisch".

Etwas störend ist auch das stete Herumtreten auf dem "unsexy" Image des Feminismus. Haufenweise Witzchen lässt Moran über das vermeintliche Unwort fallen und schreibt es damit ein weiteres Mal fest. Verständlich, dass frau einen Aufmacher für das eigene Buch über Feminismus braucht, aber warum immer dieses fade, "Ich schreibe jetzt das erste sexy Buch über Feminismus"? Darüber sind wir doch inzwischen längst hinaus, meine Damen.

Und dennoch: "How to be a woman" macht hauptsächlich Spaß und liest sich ähnlich leicht wie ein Frauenmagazin auf der Badewiese, allerdings mit derb-sarkastischer Note und ohne schlechtem Gewissen, nebenher eine Tüte Chips verdrückt zu haben. Wenn alle 16-jährigen Mädchen dieses Buch lesen würden, hätte die Schönheitsindustrie vermutlich ein großes Problem. Und Frauen so einige weniger. (dieStandard.at, 20.5.2012)