Wien - Für Griechenland wäre ein Ausscheiden aus der Eurozone und eine Rückkehr zur Drachme "alles andere als eine Wunderwaffe" und würde direkte Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen, sagte der ehemalige SPÖ-Finanzminister und Bundeskanzler Franz Vranitzky am Samstag in der Ö1-Radioreihe "Im Journal zu Gast". Davon abgesehen wisse kaum jemand, wie ein Austritt aus der Eurozone technisch und juristisch zu bewerkstelligen wäre.

Sämtliche bereits vergebenen Kredite und Zusagen würden in Frage gestellt und darüber hinaus wären die indirekten Kosten unabsehbar, so Vranitzky. Auch müssten die Staaten wieder den betroffenen Banken unter die Arme greifen. Eine abgewertete Drachme würde der griechischen Wirtschaft mehr schaden als nützen, glaubt der Ex-Finanzminister, "weil die griechische Wirtschaft nicht wirklich eine für die Zahlungsbilanz tragfähige Exportstruktur hat". Andererseits würden sich die notwendigen Rohstoff- und Energieimporte verteuern.

Warnung vor überzogenem Sparprogramm

Ob die EU ohne Griechenland besser dran wäre, "ist aus heutiger Sicht nicht eindeutig zu beantworten", klar sei jedoch, dass die EU aus den bereits gewährten Krediten erhebliche Schäden erleiden würde.

Vranitzky warnte auch vor einem überzogenen Sparprogramm für Griechenland. "Nur schrumpfen, nur sparen und eindämmen, das hält keine Volkswirtschaft aus, das hält aber auch kein soziales Gefüge aus." Daher müsse man neben dem Sparprogramm den Griechen auch eine Perspektive eröffnen. Eine von Griechenland ausgehende Ansteckungsgefahr auf andere Länder "ist gegeben", so Vranitzky, und würde eher größer, würde man Griechenland jetzt nicht mehr helfen. Eine Prognose, ob Griechenland in ein, zwei Jahren noch der Eurozone angehören wird, wollte Vranitzky nicht wagen.

Souveränitätsgewinn, kein -verlust

Das letztliche Ziel der EU sei eine politische Union, erinnerte der Ex-Bundeskanzler. Man habe eine gemeinsame Währung geschaffen, deren Grundlage aber akkordierte wirtschaftspolitische Maßnahmen sein müssten. Eine größere Vergemeinschaftung wäre "kein Souveränitätsverlust, sondern ein Souveränitätsgewinn", glaubt Vranitzky, "nur nicht auf Länderebene, sondern auf Gemeinschaftsebene". In den meisten europäischen Hauptstädten sei aber "wenig bis gar keine Europapolitik" betrieben worden. Ein konstruktiver Vorschlag wäre seiner Ansicht nach die Volkswahl eines europäischen Präsidenten, aber auch die schrittweise Einführung einer gemeinsamen Besteuerung.

Österreich müsste auf nationaler Ebene seine öffentlichen Strukturen reformieren, etwa den Föderalismus, der nicht notwendige Kosten verursache, oder auch beim Bildungssystem. 

Prodi will stärkere Allianz

Der italienische Ex-EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi hat am Samstag Italien, Österreich Frankreich und Spanien aufgefordert, eine politische Allianz gegen die Euro-Krise zu schließen. "Man muss einen starken Block aufbauen, eine politische Allianz, die eine stabilisierende Auswirkung auf die Finanzmärkte haben kann", betonte Prodi am Samstag bei einem Seminar in Bologna.

Diese Allianz dürfe aber nicht gegen Deutschland gerichtet sein. "Wir brauchen einen starken Block, der einen Ausweg aus der Krise findet", meinte Prodi nach Angaben italienischer Medien.

Der ehemalige italienische Premier rechnet mit katastrophalen Folgen, sollte Griechenland aus dem Euro austreten. "Wenn man die Krise in Griechenland nicht löst, wird es zum selben Schicksal in Italien, Spanien und Portugal kommen. Wenn Griechenland zusammenbricht, geht alles zugrunde", kommentierte Prodi. (APA, 19.5.2012)