Bild nicht mehr verfügbar.

Graffiti in Kairo, die an den Protest und die Rolle der Militärs erinnern. In ihrer Rhetorik sind die Präsidentschaftskandidaten nun Israel gegenüber viel schärfer, als es den Militärs recht ist.

Foto: dapd/Nasser

Und keiner will es sich mit den USA verderben.

 

Kairo/Wien - Aus Ägyptens Botschaften in aller Welt trudelten am Freitag in Kairo die ersten Wahlergebnisse ein: Der Exmuslimbruder Abdel Monein Abul Futuh konnte am meisten "Siege" für sich verbuchen (etwa in Deutschland), die Überraschung war jedoch der Chef der nasseristischen Karama-Partei, Hamdeen Sabbahi, der etliche zweite Plätze einheimste. In arabischen Ländern - etwa Jemen und Sudan - wählten die Ägypter und Ägypterinnen den Muslimbruder-Parteichef Mohamed Mursi. Fast überall abgeschlagen der Exgeneralsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, und Mubaraks letzter Premier, Ahmed Shafik.

Eines vereint die fünf Topkandidaten und die anderen sieben: ihr Populismus, wenn es zu Israel kommt. Zwar sagt keiner, dass er den Friedensvertrag von 1979 aufheben lassen will, auch wenn es sich für manche Wähler so anhören mag: Ein beliebter rhetorischer Trick - den etwa auch Moussa bereits angewandt hat - ist, zu sagen, dass "Camp David" obsolet sei. "Camp David" ist aber eben nicht mit dem israelisch-ägyptischen Vertrag identisch, Camp David sind zwei Rahmenabkommen von 1978, wovon eines eine israelisch- palästinensische Lösung skizzierte. Das meinen die Kandidaten meist auch, wenn sie ankündigen, dass sie von Israel die "Einhaltung" von Camp David fordern werden.

Auch von einer "Revision" des Friedensvertrags ist immer wieder die Rede. Das ist a priori nichts Schlimmes - die Möglichkeit ist ja sogar im Vertragstext verankert. Es kommt nur darauf an, was damit gemeint ist: am häufigsten eine Neuverhandlung der Entmilitarisierungsauflagen auf dem Sinai entlang der Grenze zu Israel. Für Israel ist das ein zweischneidiges Schwert: Denn bei allen Bedenken angesichts der verschlechterten Beziehungen mit Ägypten hat es doch Interesse daran, dass Ägypten die seit dem Mubarak-Sturz abrutschende Sicherheitslage auf dem Sinai wieder in den Griff bekommt.

Stolz auf den Krieg

Alle, die in einem Krieg gegen Israel mitgekämpft haben, führen dies im Wahlkampf an. Am aggressivsten geben sich zum Thema Israel die islamistischen Kandidaten. Zwar schwören alle, die Interessen der Palästinenser vertreten und das ägyptische Verhältnis zu Israel an der israelischen Palästinenserpolitik messen zu wollen. In den Reden von Abul Futuh und Mursi ist aber schon einmal vom "Feind" Israel die Rede. Alle Kandidaten versichern, dass sie nicht wie der gestürzte Präsident Hosni Mubarak eine Politik verfolgen werden, die die Wünsche Israels über die arabischen Interessen stellt - damit ist Mubaraks Absperrung des Gazastreifens gemeint.

Der Nasserist Sabbahi hat verlangt, die umstrittenen Gaslieferverträge mit Israel aufzuheben, die ja auch Thema in den Prozessen gegen Exregimemitglieder sind. Durch die ständigen Sabotageakte gegen die Pipeline auf dem Sinai stocken die Lieferungen ohnehin. Sabbahi verlangt auch bessere Beziehungen zum Iran und "gleichberechtigte" Beziehungen zu den USA - wovon ja als Folge des ägyptisch-israelischen Friedens viel Geld für Ägypten kommt.

Hin und wieder kommen Rufe der Vernunft von außerhalb der Kandidatenszene. So hat laut der Zeitung Al-Masry al-Youm der ehemalige Topgeneral Abdel Moneim Said daran erinnert, dass der Schutz eines israelischen Kriegerdenkmals auf dem Sinai Teil des Friedensvertrags sei. Aktivisten hatten angekündigt, den "Dayan-Felsen" bei Sheikh Zuwayed, der an einen israelischen Hubschrauberabsturz erinnert, mit den Farben der ägyptischen Flagge bemalen zu wollen. Seitdem wird das Denkmal militärisch geschützt. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, 19.5.2012)