Fossiles Geweih der Hirschart Paradicrocerus elegantulus.

Foto: Senckenberg

Entwässerungssystem der großen zentraleuropäischen Flüsse vor 15 Millionen Jahren.

Grafik: Senckenberg

Frankfurt - Mit einer Länge von über 1.200 Kilometern ist der Rhein einer der prägenden Flüsse Westeuropas. Sonderlich alt ist er allerdings nicht - zumindest wenn man ihn mit dem Amazonas vergleicht, dessen Vorläuferversion - damals noch in umgekehrter Richtung - bereits floss, als sich Südamerika und Afrika noch nicht voneinander getrennt hatten. Ein paar Millionen Jahre mehr als gedacht muss man dem Rhein nun aber doch zuschreiben, wie das Senckenberg-Forschungsinstitut berichtet.

"Bisher ist man davon ausgegangen, dass der Ur-Rhein etwa zehn Millionen Jahre alt ist", erklärt Madelaine Böhme, Erstautorin einer im Fachjournal "PLoS ONE" erschienenen Studie. "Aufgrund unserer Untersuchungen an Fossilien einer Fundstelle nahe Sprendlingen gehen wir aber davon aus, dass der Fluss mindestens fünf Millionen Jahre älter ist."

Wichtige Fossilien

Die Säugetierfossilien im Raum Sprendlingen und Eppelsheim im deutschen Bundesland Rheinalnd-Pfalz gelten unter Wirbeltier-Paläontologen seit 200 Jahren als Maßstab für das sogenannte Neogen - also die Zeitspanne vor etwa 23 Millionen bis vor etwa 2,5 Millionen Jahren. Weltberühmt wurden die Fundstellen durch den weltweit ersten Fund eines fossilen Affen (1822) und die wissenschaftliche Erstbeschreibung von 19 großen Säugetierarten im frühen 19. Jahrhundert. Die zeitliche Einordnung der dort zu findenden "Dinotheriensande - die neben den namensgebenden Zähnen und Knochen des mit den Elefanten verwandten Dinotheriums zahlreiche andere Fossilien enthalten - war schon häufig Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion.

"Wir haben deshalb eine neue Probe mit über 300 Säugetierfossilien, Blättern und versteinerten Hölzern untersucht. Dabei haben wir Zähne und Knochen verschiedener Hirscharten gefunden, die in Zentraleuropa allesamt zu Beginn des mittleren Miozän - also der Zeit zwischen 14 und 16 Millionen Jahre vor heute - lebten", erläutert Böhme. "Die Ergebnisse aus den Untersuchungen von fossilen Pflanzenresten, die unter- und oberhalb der säugetierführenden Fundschichten gefunden wurden, bekräftigen unsere Schlussfolgerungen."

Die Resultate haben unmittelbare Folgen für das Verständnis der Entwicklung des Mainzer Beckens und des Oberrheingrabens in der Erdgeschichte. Da die Funde aus den ältesten bekannten Ablagerungen des Rheins stammen, muss dieser ebenfalls mindestens fünf Millionen Jahre älter sein. (red, derStandard.at, 19.5.2012)