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Mehr Mitochondrien bedeuten mehr Leistung. Spitzensportler haben diese Gleichung bereits für sich genutzt. Nun soll auch die Altersforschung davon profitieren.

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Innsbrucker Forscher verfeinern dafür ein Gerät zur Analyse der Mitochondrienfunktion.

Die menschlichen Zellen haben eigene Kleinkraftwerke - die Mitochondrien. Dafür interessieren sich normalerweise Sportmediziner. Sie messen deren Sauerstoffverbrauch beim Verbrennen von Nährstoffen, um so zu erfahren, wie viel Energie in den Zellen produziert wird. Arbeiten die Mitochondrien auf Hochtouren, können gut versorgte Zellen absolute Spitzenleistungen erbringen - das wollen freilich auch Sportler.

Wie verlässlich die Mitochondrien als körpereigene Energieversorger sind, rückt aber immer stärker ins Zentrum der gesamten medizinischen Forschung. Ist die Leistung dieser Kraftwerke gering, steigt beim Menschen offensichtlich die Anfälligkeit für unterschiedliche Risiken. Zusammenhänge zwischen der Zellatmung - also der Aktivität der Mitochondrien - und dem Auftreten von chronischen Entzündungen wurden ebenso bereits festgestellt wie ein Versagen der Immunabwehr.

Besonders wertvoll könnten neue Erkenntnisse über die Mitochondrienfunktion zudem für die Altersforschung sein: Degenerative Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer, aber ebenso Typ-2-Diabetes, werden mit Vorgängen bei der Zellatmung in Verbindung gebracht. Dabei entstehen nämlich Sauerstoffradikale, deren eigentliche Aufgabe es ist, die Signalübertragung in der Zelle zu unterstützen. Allerdings können diese Radikale auch toxisch sein und eine Schädigung molekularer Strukturen mit katastrophalen Folgen für die Zelle bewirken.

Ursache-Wirkung unklar

"Ob diese Krankheitsbilder tatsächlich die Folgeerscheinungen einer zu geringen Mitochondrienleistung sind, oder ob es sich umgekehrt verhält, kann aber derzeit noch nicht beurteilt werden", erklärt Erich Gnaiger von der Medizinischen Universität Innsbruck. Es wäre demnach ebenso denkbar, dass die Atmung der Zelle und somit deren Vitalität erst durch das Auftreten dieser Krankheiten abnimmt. Vor allem eine Erweiterung der Methoden zur Messung zusätzlicher Aktivitäten der Mitochondrien könnte diese Frage von Ursache und Wirkung nach und nach beantworten.

Eine von Gnaiger geleitete Arbeitsgruppe am Daniel-Swarovski-Forschungslabor der Medizinischen Universität Innsbruck widmet sich dieser Aufgabe seit langer Zeit. Vor rund 20 Jahren entstand dabei Oroboros Instruments, ein universitäres Spin-off, in dem ein Gerät zur Messung der Zellatmung entwickelt wurde. Dieser Oxygraph misst - wie der Name schon sagt - in einem elektrochemischen Verfahren eine einzige Variable: die Sauerstoffmenge, die Mitochondrien benötigen, um etwa aus Kohlehydraten und Fettsäuren Energie zu erzeugen. Gespeichert wird der Antrieb für die Zellen als chemische Verbindung - das sogenannte Adenosintriphosphat (ATP).

Hinzu kam nun erst vor kurzem eine zweite Messmethode - die optische. Dabei werden fluoreszierende Farbstoffe eingesetzt, die im Wortsinn neues Licht auf die Aktivitäten der Mitochondrien werfen. Sichtbar wird dadurch etwa die Bildung der Sauerstoffradikale, deren Rolle im Alterungsprozess es noch zu klären gilt. Überdies kann auf diese Weise die ATP-Produktion und das Membranpotenzial von Mitochondrien genauer analysiert werden. Letzteres soll es ermöglichen, eine verringerte Leistung der Kraftwerke schon früher zu erkennen.

Kooperative Zelle

Vorangetrieben wird die verbesserte Diagnose aktuell in einem K-Regio-Projekt. Dabei handelt es sich um ein Förderprogramm der Standortagentur Tirol für kooperative Forschungsprojekte. Beim Projekt " MitoCom" arbeitet die Medizinische Universität konkret mit der Leopold-Franzens-Universität und zwei Tiroler KMUs zusammen. Die Laufzeit von drei Jahren dient dabei einem intensiven Austausch zwischen den Geräteentwicklern und möglichst vielen Bereichen der Biomedizin. Einsetzbar ist die neue Technologie nämlich auch in der Krebsforschung oder in der Transplantationschirurgie.

Dass die Forscher bereits Ende April 2012 mit dem Houska-Preis für praxisrelevante Forschungsprojekte ausgezeichnet wurden, mag auch mit dem modularen Aufbau des Projekts zusammenhängen: Die ersten Geräte kommen nämlich schon jetzt in der Praxis zur Anwendung. Unabhängig von der erweiterten Diagnose ergeben sich für Patienten noch andere Vorteile, wie Gnaiger erklärt: "Da die beiden Messverfahren simultan ablaufen, muss nur einmal eine geringe Menge an Gewebe entnommen werden. Im Gegensatz zu früher ist überdies eine lokale Betäubung ausreichend."

Was das bessere Kennenlernen der Mitochondrien aber auch in Zukunft nicht ersetzen kann, ist hohe körperliche Aktivität. Bewegung gilt als Grundvoraussetzung für das Durchatmen der Zellen. (Sascha Aumüller,  DER STANDARD, 16.5.2012)