Washington/Wien - "Das unerbittliche Gedächtnis" heißt eine Erzählung von Jorge Luis Borges. Darin schildert der argentinische Schriftsteller, zu welchen Qualen eine perfekte Erinnerung führen kann. Nun konnten Forscher um Dominique de Quervain und Andreas Papassotiropoulos von der Uni Basel etwas Ähnliches wissenschaftlich zeigen: Wer eine Genvariante trägt, die ein besseres Gedächtnis verleiht, den belasten negative Erlebnisse auch stärker.

Zusammen mit Kollegen der ETH Zürich und aus Deutschland haben de Quervain und Papassotiropoulos eine Genvariante namens PRKCA identifiziert, deren Träger emotional aufgeladene Erinnerungen markant besser abrufen können. Die Überprüfung im Kernspintomografen zeigte, dass bei ihnen zwei Gehirnareale aktiver waren, die mit dem emotionalen Gedächtnis in Verbindung gebracht werden.

Im zweiten Teil der Studie, die im Fachblatt PNAS erschien, wollten die Forscher wissen, ob das bessere Gedächtnis die Auswirkungen von schlimmen Erlebnissen vergrößert. Zusammen mit weiteren deutschen Kollegen suchten sie die Genvariante im Erbgut von Flüchtlingen des Bürgerkriegs in Ruanda. Tatsächlich litten Träger eben jener Genvariante von PRKCA häufiger unter quälenden Erinnerungen an traumatische Kriegserlebnisse. Und sie wiesen häufiger Symptome des posttraumatischen Stress-Syndroms auf. (tasch/APA, DER STANDARD, 15.5.2012)