Schöner klassischer Altbau in Wien-Neubau, erster Stock, 90 Quadratmeter, drei Zimmer. Miete: 1645 Euro. Dachgeschoßwohnung Nähe Rochusmarkt, 59 Quadratmeter mit Balkon: 1213 Euro. Ohne Strom und Gas. Das sind zwei extreme Beispiele aktueller Wohnungsausschreibungen in der Hauptstadt - aber sie häufen sich.

Laut einer Studie des Immobilienriesen Remax erwarten sich Makler für dieses Jahr eine Preissteigerung von 8,7 Prozent für freifinanzierte Eigentumswohnungen in zentraler Lage, 5,7 Prozent für Mietwohnungen. Ganz vorn bei den Aussichten für den Wohnungsmarkt liegt Wien mit einem Plus von 8,3 Prozent, gefolgt von Oberösterreich (6,9 Prozent) und der Steiermark (6,3 Prozent).

Überhitzung

Eine drohende Blase, bei der es infolge von Überbewertung in kurzer Zeit zuerst zu enormen Wertsteigerungen und dann zu -verfall kommt, sehen Experten in Österreich noch keine. Dafür sei die Finanzierungsstruktur in Österreich zu rigide, so werde deutlich mehr Eigenkapital als in den USA benötigt. "Aber von einer Überhitzung kann man durchaus sprechen", sagt Alexander Guelmami, Geschäftsführer der Wiener Immobilienentwicklungsfirma Stadtquartier.

Die Gründe des Booms: Die Nachfrage - vor allem nach Singlewohnungen - übersteige das Angebot. Generell würde weniger gebaut. Die Angst vor Inflation bei Veranlagung etwa in Wertpapieren beflügelt bei vielen Menschen die Idee, ihr Geld lieber in Vorsorgewohnungen zu investieren. "Betongold" nennt dies der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SP).

30.000 Euro pro Quadratmeter

Auch das Sparpaket erzeugt Druck auf die Mietpreise: Mit 1. April fiel die bisher gültige Spekulationsfrist von zehn Jahren, der Verkauf muss nun auch danach mit 25 Prozent versteuert werden - was wohl auf die Mieter umgewälzt werden wird. Die Mietervereinigung fordert, dass Zu- und Abschläge nur mehr maximal 25 Prozent des gesetzlichen Richtwerts betragen.

Im Vergleich zu Metropolen wie Paris oder London, wo bis zu 70 Euro pro Quadratmeter Miete bezahlt werden, ist Wien aber weiterhin leistbar. Sprünge von bis zu 200 Prozent gibt es hingegen im Luxuswohnsegment: 30.000 Euro Kaufpreis pro Quadratmeter seien mittlerweile keine Seltenheit, da es nur wenige Topimmobilien gibt.

Spekulantentum

"Niemand hat mit solchen Sprüngen gerechnet", erklärt Guelmami. Vor allem für ausländische Investoren sei Wien wegen der niedrigen Zinsen von drei bis vier Prozent ein sicherer Hafen. "Wenn die Zinsen anziehen, wird es schwierig für Projektentwickler." Das Gerücht, in Wien werde auf leerstehende Wohnungen spekuliert, bestätigt der Immobilienhändler. "Ja, die gibt es. Ich kenne leere Häuser in der Hegelgasse oder am Schwarzenbergplatz, die bewusst vom Markt ferngehalten werden, um den Preis zu steigern."

Bei der Schlichtungsstelle der Stadt Wien kann jeder seinen Hauptmietzins überprüfen lassen. Zahlt er zu viel, muss ihm, bis zu drei Jahre rückwirkend, der Überschuss erstattet werden. Der geförderte Bereich habe durchaus Einfluss auf die Preisentwicklung, sagt Guelmami. "Manche Entwickler stehen in Konkurrenz zur Wohnbauförderung." (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 14.5.2012)