Wien/Rom - Heikle Entscheidungen ohne Absprache mit der Chefetage zu treffen trübt mitunter das Arbeitsklima. Diese Erfahrung muss jetzt Kardinal Christoph Schönborn machen. Die Diskussion über einen homosexuellen Pfarrgemeinderat in der Weinviertler Gemeinde Stützenhofen - der STANDARD berichtete - hat jetzt nämlich den Vatikan erreicht. Konkret beschäftigt sich derzeit die mächtige Glaubenskongregation mit den heiklen Vorgängen in der kleinsten Pfarrgemeinde der Erzdiözese Wien.

Die Entscheidung Schönborns, die Stützenhofener Pfarrgemeinderatswahl trotz eines schwulen Kandidaten auf der Wahlliste nicht zu beeinspruchen, wollen die strengen Glaubenshüter in Rom nicht so einfach hinnehmen. Wie der STANDARD aus gut informierten Vatikan-Kreisen erfuhr, wurde der Wiener Erzbischof von der Glaubenskongregation bereits brieflich aufgefordert, sich entsprechend zu erklären. Sollte dies nicht passieren, liegt bereits ein Beschluss der Glaubenshüter vor, den Kardinal bei seinem nächsten Rom-Besuch vorzuladen.

Man beruft sich in Rom auf gültiges Kirchenrecht: Gleichgeschlechtliche " Tendenzen" werden zwar nicht mehr als Sünde angesehen, "homosexuelle Handlungen" allerdings schon. Und der schwule Pfarrgemeinderat von Stützenhofen lebt in einer eingetragenen Partnerschaft. Dennoch will man Schönborn offensichtlich nicht zwingen, seine Entscheidung - gefällt nach einem persönlichen Gespräch mit dem schwulen Paar - rückgängig zu machen. Aber zumindest eine Zusicherung, dass dies ein einmaliger Vorgang war, wünscht die Glaubenskongregation.

Im Erzbischöflichen Palais will man nichts von einem vatikanischen Rüffel wissen. "Von einem Druck aus Rom oder einem Brief der Glaubenskongregation ist mir nichts bekannt. Und der Kardinal hat die Wahl eben nicht bestätigt, sondern nur nicht beeinsprucht. Es war eine, aus pastoralen Erwägungen getroffene, Einzelfallentscheidung", stellt Schönborn-Sprecher Michael Prüller auf Anfrage klar. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 14.5.2012)