Wien - Bevor demnächst die Festwochen-Traviata im Theater an der Wien zu erleben sein wird, kredenzt die Staatsoper eine Aufführungsserie jener Produktion, welche im letzten Oktober ihre Wiener Erstaufführung erlebte: den harmlosen, stimmungsschwachen Bilderreigen Jean-François Sivadiers. Gespannter konnte man da schon auf das Hausdebüt von Ermonela Jaho sein: Die gebürtige Albanierin war 2008 in einer Traviata am Londoner Covent Garden für Anna Netrebko eingesprungen - was die Kritik hernach nicht als Verlust empfunden hatte.

Flinke Gurgel

Und in der Tat ist glatte Makellosigkeit à la Netrebko nicht Jahos Ding. Sie kann damit aufwarten - in der hohen Lage oder bei ihrem weichen Pianissimo -, aber grundsätzlich braucht Jaho die Extreme, dynamisch wie darstellerisch. Ihre Gurgel ist flink, Koloraturen werden gewinnend präsentiert, und für ihre beim Forcieren leicht ins Blecherne tendierende, eher dunkle Mittellage sei ihr der Eliane-Coelho-Gedächtnispreis verliehen. An die kontrollfixierte Konzeptkünstlerin Madonna erinnert wiederum die federnde, fitnessgestählte Physis der Enddreißigerin - es wäre wahrscheinlich keine schlechte Idee gewesen, für die Darstellung einer Lungenkranken im Endstadium diese turnerische Toughness körpersprachlich ein wenig zu kaschieren.

Doch so konnte sie sich mit ihrem Alfredo auch ziemlich heftig fetzen - der höhensichere Francesco Demuro, mal wie ein Singautomat unterwegs, dann wieder zu berührender Dezenz fähig, riss die Leidende wie auch das Publikum hin und her. Äußerst nobel, aber auch äußerst gleichförmig der Bariton Zeljko Lukics (Giorgio Germont). Nach einem Cello-Unsauberkeiten inkludierenden, von Publikumsseite zu Tode gehusteten Beginn steigerte sich das Staatsopernorchester unter Bertrand de Billys Leitung zu passablem Repertoirealltagsniveau.   (Stefan Ender, DER STANDARD, 12./13.5.2012)