Ich stieg müde ins Taxi. Der Taxler, der vorher mein Gepäck genau inspiziert hatte, drehte sich begeistert zu mir um und sagte ohne Vorwarnung: "Ich mag Hitler, er war ein großer Mann." Ich glotzte blöde. " Er hat die Chance genutzt, die ihm Gott geboten hat, "fügte der scheinbar tiefgläubige Taxifahrer hinzu, während wir den Flughafen zügig hinter uns ließen und jedes Entkommen aus dieser Konversation unmöglich geworden war. Abgesehen von seinen politischen Ansichten konnte er auch nicht Auto fahren, was mir in Kombi nicht nur die Galle, sondern auch den Mageninhalt unerbittlich hochtrieb.

Wer jetzt glaubt, ich wäre in tiefster österreichischer Provinz, irrt: Ich befand mich in New York, der Fahrer war schwarz. "Österreich ist toll", teilte er mir mit, als wir Queens querten, "die wissen, wie man mit Abschaum umgeht." Ich kämpfte gegen den Wunsch, ihm ein One-Way-Ticket mit Zwangsverpflichtung zu sämtlichen von Straches Parteiversammlungen zu schenken. Wien ist ja doch internationaler, als man annimmt, dachte ich. Wien ist zwar nicht Chicago geworden, aber dafür New York ab und zu Wien.

Auf der Fifth Avenue traf ich später auf Grüppchen der Occupy-Bewegung, die das Demonstrationsverbot am Washington Square durch unauffällige Zusammenrottungen vor den Banken umgingen. In der zwangsweise aufgesplitterten Kleingruppe wirkten die Plakate, die Parolen, die Anliegen plötzlich unwichtig, fast lächerlich - so sehr lässt sich das menschliche Auge von Menge täuschen. Vor manchen Einkaufshäusern standen Schlangen von Kaufwütigen, die auffälliger waren als die Demonstranten.

Im Gegensatz zu New York City beweist Österreich aber die volle Größe, denn im Unterschied zu manchen Protestdemonstrationen - zum Beispiel jenen der Studenten -, die gerne untersagt werden, wurde das "Totengedenken" der Burschenschafter von der Regierung zwar verurteilt, jedoch wieder genehmigt, obwohl dieser Umzug provokativst am 8. Mai abgehalten wird. Wenn man den miefigen Unterton hätte vermeiden wollen, wäre vermutlich fast jeder andere Tag im Jahr geeigneter für diesen Umzug gewesen, außer vielleicht der 24. 12. und der Tag der Befreiung von Auschwitz. Aber nein, ich vergaß, der Tag der Auschwitzbefreiung wird schon gerne mit dem Abhalten des Burschenschaftsballes in der Hofburg begangen.

Zurück in Wien, saß ich dann vom Jetlag geritten im Schanigarten, den ich nicht mehr verlassen konnte, da die Polizei die Gegend um das Burgtheater großflächig absperren ließ, um die Sicherheit der marschierenden Burschenschafter zu wahren, und hörte ihnen beim Blechtrommeln zu. Das Auge täuschte diesmal nicht. Sie wirkten auch in großen Mengen lächerlich.  (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 12./13.5.2012)